Freihandel zwischen EU und Kanada: Schon wieder Geheimnisse

Das Freihandelsabkommen CETA ist keineswegs zufriedenstellend gelöst. Gerade geht es um Kernfragen – unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

CETA-kritischer Protestler

Dürfte sich bestätigt fühlen: CETA-kritischer Protestler 2017 Foto: dpa

BRÜSSEL taz | Neuer Ärger um CETA: Die EU-Kommission in Brüssel weigert sich, Sitzungs-Protokolle zum umstrittenen europäisch-kanadischen Freihandelsabkommen offenzulegen. Bei den Ge-sprächen, die seit der vorläufigen Inkraftsetzung von CETA im September 2017 statt fanden, ging es um brisante Themen wie Glyphosat oder Gentechnik. Selbst das Europaparlament erhielt keinen Einblick. Dagegen regt sich Widerstand.

Das Umweltinstitut München hat Klage beim EU-Gericht in Luxemburg eingereicht, um Zugang zu den Dokumenten zu bekommen. „Die EU-Kommission muss für ihre politischen Positionen in der Öffentlichkeit geradestehen. Die Verlagerung in geheime Ausschüsse verhindert eine öffentliche Debatte und schadet der Demokratie“, begründet Karl Bär, Referent beim Umweltinstitut.

Nach Angaben der EU-Kommission haben im Rahmen von CETA bereits 20 bilaterale Expertenrunden getagt. Dabei gab es auch Streit – etwa im Agrarkomitee, das am 19. September in Brüssel zusammentrat. Die Kanadier beschwerten sich über die Fleischquote der Europäer, die EU sorgt sich um freien Marktzugang für Milchproteine. Doch längst nicht alle Details wurden offengelegt, klagt das Umweltinstitut.

Viel Macht für die geheimen Verhandler

Besonders zugeknöpft gibt sich der „gemischte Verwaltungsausschuss für gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen“. Darunter fallen Grenzwerte für Rückstände in Lebensmitteln, die Zulassung von Pestiziden oder Maßnahmen für Tiergesundheit. Der Ausschuss ist hochkarätig besetzt und kann Änderungen an Teilen des Abkommens vornehmen.

Die Umweltexperten aus München forderten Akteneinsicht – und wurden nach einem monatelangen Briefwechsel abgewiesen. Sein „Nein“ zur Herausgabe der Dokumente begründete Martin Selmayr, der mächtige Generalsekretär der EU-Behörde, kurioserweise mit einem Urteil von 2010, bei dem es um die Firma Bavarian Lager ging – und um den Datenschutz.

Bei CETA gehe es weder um bayerisches Bier noch um persönliche Daten, wendet Bär ein. Die Öffentlichkeit habe einen Anspruch, zu erfahren, wie das Abkommen in der Praxis umgesetzt wird – und was das für Umwelt und Gesundheit bedeutet. Auch der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold fordert mehr Transparenz. Internationale Verhandlungen müssten offengelegt werden, sagte er der taz.

Wer muss vor wem Angst haben?

Doch genau das will die EU-Kommission verhindern. Sie liefert auf ihrer Website nur Zusammenfassungen der nichtöffentlichen Gespräche, aber keine detaillierten Ergebnis-Protokolle. Nach eigener Darstellung fürchtet die Behörde, dass sie in der Öffentlichkeit fehlinterpretiert oder missbraucht würden.

„Diese Haltung ist vollkommen inakzeptabel“, widerspricht Bär. „Eine Demokratie kann nur mit einer informierten Öffentlichkeit funktionieren. Wenn der Inhalt der Dokumente so brisant ist, dass sie das Abkommen gefährden könnten, müssen sie erst recht öffentlich diskutiert werden.“

Das CETA-Abkommen war 2016 nach jahrelangem Streit unterzeichnet worden. Kritiker hatten der EU-Kommission mangelnde Transparenz vorgeworfen und gewarnt, dass durch die vereinbarte enge „regulatorische“ Zusammenarbeit eine geheime Parallel-Gesetzgebung entstehen könnte. Ob das Abkommen jemals vollständig in Kraft tritt, ist offen. Die Ratifizierung stockt, Italien stellt sich quer.

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