Friesenhof-Skandal in Schleswig-Holstein: „Es war beklemmend dort“

Ex-Boxer und Friesenhof-Berater Lothar Kannenberg berichtet von Zuständen im Mädchencamp. CDU und FDP ließen keine kritischen Fragen zu.

Lothar Kannenberg trainiert mit Jugendlichen

Selbst nicht unumstritten: Ex-Boxer Lothar Kannenberg. Foto: dpa

HAMBURG taz | Für die mittlerweile geschlossenen Friesenhof-Mädchenheime hat auch ein Ex-Boxer gearbeitet. Heimbetreiberin Barbara Janssen habe ihn als Berater engagiert, sagte der ehemalige Sportler Lothar Kannenberg am Montag vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) in Kiel. Das war im November 2013, kurz nachdem die Heimaufsicht erstmals Auflagen erteilte.

„Kannst du nicht kommen? Hier stimmt was nicht“, habe Janssen ihm gesagt, berichtete der 59-Jährige. Sie sei eine „gute Frau“, habe sich für die Kinder eingesetzt, aber „die falschen Berater gehabt“. Vier Monate – von Dezember bis April – sei er dann alle 14 Tage für drei Tage in den Dithmarscher Mädchenheimen gewesen, überwiegend im „Camp Nana“. Nach seinem Eindruck war es „ein bisschen beklemmend“ dort. „Alles hat sich nur im Haus abgespielt.“ Die Erzieher hätten sich nicht getraut, mit den Mädchen rauszugehen. Aus „Angst, die laufen weg“.

Der Ex-Boxer hat keine Ausbildung als Erzieher und nicht mal einen Schulabschluss. Er startete dennoch 2004 mit einer Ausnahmegenehmigung des Landes Hessen ein Trainingscamp für „Schwererziehbare“. Schon 2005 habe er die Friesenhof-Inhaberin Janssen kennengelernt, sagte er. „Sie kam zu mir. Wollte gucken, wie ich das mache.“ Sie habe ihm das damals noch leer stehende Haus des späteren Camps Nana in Wrohm gezeigt. Dann habe er bis zu seinem Auftrag im Jahr 2013 nichts von ihr gehört.

Vor Ort sei ihm aufgefallen, dass die Erzieher eingeschüchtert waren. Sie hätten Angst um ihre Jobs gehabt, sagte Kannenberg. „Keiner hat sich was zugetraut.“ Er vermutet, dass ihnen die Anleitung gefehlt habe.

In der Folge hätten die Mädchen zu oft im Haus bleiben müssen. Das mache aggressiv. „Ich habe gesagt: Türen auf, damit die Mädchen sich bewegen können.“ Er habe auch einmal den Frühsport mitgemacht. „Das war viel zu wenig.“

Er hätte gern selbst mit der Heimaufsicht in Kiel gesprochen, doch seine Auftraggeberin habe das nicht gewollt. „Es hieß, dich können Sie net leiden, bleib mal lieber weg.“ Später habe Janssen ihm sogar das ganze Heim zum Kauf angeboten, dieses Angebot aber später zurückgezogen. Das habe ihn geärgert. Auf spätere Anrufe habe er nicht mehr reagiert.

Doch Janssen berief sich auch später auf Kannenberg. Sie habe dessen Trainingscamp-Idee von Jungs auf Mädchen überragen. Für Kannenberg kein Problem: „Das geht auch mit Mädchen.“ Nur bräuchte man Angebote wie Schminkkurse und unter den Betreuern 70 Prozent Frauen.

„Mein Konzept ist von der Uni Kassel evaluiert und wird weiter entwickelt“, sagte er. Er sei mit seiner Firma „Akademie Kannenberg“ mit 21 Einrichtungen in fünf Ländern vertreten.

Doch Kannenberg ist auch umstritten. Der Evaluationsbericht der Uni Kassel bemängelt unter anderem eine fehlende Supervision. Die Sanktionspraxis in den Camps sei „kommunikativ rigide und häufig leiblich dominant“. Das Konzept berge „ein hohes Risiko der Verletzung der personellen Integrität der Jugendlichen.“

Von Kannenberg existiert auf YouTube ein Video, in dem er Jungen vor einer Gruppe ausschimpft und ihnen einen Knüppel vor die Füße legt. Als der Grüne Burkhard Peters Kannenberg darauf anspricht, blockt die PUA-Vorsitzende Barbara Ostmeier (CDU) die Frage ab, weil sie nicht zum Gegenstand des PUA gehöre. Bei einer weiteren kritischen Frage springt Wolfgang Kubicki (FDP)dem Zeugen bei. „Sie müssen sich nicht rechtfertigen.“

Dabei wäre es sinnvoll gewesen, die Praktiken Kannenbergs mit den Schilderungen der Mädchen des Friesenhofs zu vergleichen, findet der Grüne Peters. „CDU und FDP wollten offenbar diesen Zeugen aus der Schusslinie bringen.“ Schließlich sei dieser einst „der Säulenheilige des CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch“ gewesen.

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