Frische Luft für niedersächsische Schweine: Regen trifft auf Schweinehaut

Ein Osnabrücker Verein setzt sich für mehr Offenställe ein, in denen Schweine frische Luft bekommen. Niedersächsische Bauern sehen dafür keinen Markt.

Mit Blick nach draußen: Schweine in einem Offenstall im niedersächsischen Samern Foto: Hermann Pentermann/dpa

OSNABRÜCK taz | In konventionellen Ställen haben Schweine so wenig Platz, dass sie in ihren Exkrementen liegen müssen: 0,75 Quadratmeter pro Tier. Sie sehen kein natürliches Licht, kennen keinen Regen, keinen Wind. Und von den Güllegruben unter dem Stallboden steigen Ammoniakdämpfe auf, die die Lungen der Schweine schädigen. Eine neue Initiative aus Osnabrück will die Haltung der Tiere verbessern – und wirbt für sogenannte Offenställe.

Darin sollen die Tiere doppelt so viel Platz haben wie gesetzlich vorgeschrieben. Eine Stallwand ist, wie es der Name schon sagt, offen. Die Schweine sollen so frische Luft und in dem größeren Raum auch Beschäftigungsmöglichkeiten bekommen, etwa Stroh zum Wühlen. In einer Ecke können sie schlafen, in einer anderen ihr Geschäft verrichten.

„So kommt man dem natürlichen Betätigungsdrang der Tiere entgegen“, sagt Bert Mutsaers, ein Wurstfabrikant und der Vorsitzende des neu gegründeten „Vereins zur Förderung der Offenstallhaltung von Schweinen“. Bisher werden laut dem Agrarbiologen Rudolf Wiedmann, der in der Landesanstalt für Schweinezucht in Baden-Württemberg beschäftigt war, rund drei Prozent der 27 Millionen Schweine in Offenställen gehalten.

Schon Mutsaers’ Hintergrund verrät, dass es sich in Osnabrück nicht um eine gewöhnliche Tierschutzinitiative handelt. Neben dem Fleischwarenhersteller engagieren sich dort Wissenschaftler, Landwirte und Vertreter von Schlachtbetrieben. Ziel des Vereins sei es, sowohl Landwirte, die ihre Ställe umbauen wollen, als auch den Handel im Zusammenhang mit der aufwendigeren Fleischproduktion zu fördern, sagt Mutsaers. Denn bisher ist die Bereitschaft der Landwirte, ihre Ställe umzubauen und somit viel Geld zu investieren, nicht sonderlich groß: In Mutsaers’ Fabrik kommen bislang wöchentlich rund 20 von 4.000 Schweinen aus Offenställen.

Die zukünftige Entwicklung der Ställe hänge von der Nachfrage nach solchen tierschutzgerechteren Haltungsformen ab: „Die muss beim Endverbraucher erzeugt werden“, sagt Mutsaers. Durch Informationsarbeit und Gespräche mit Landwirten und Einzelhändlern will der Verein weitere Betriebe zum Mitmachen bewegen.

Das niedersächsische Landesministerium begrüßt den Vorstoß des Vereins. Durch offene Ställe würden die Tiere „Außenklimareizen ausgesetzt, die der Tiergesundheit und dem Tierwohl sehr zugutekommen“, sagt Ministeriumssprecher Manfred Böhling. Doch um eine finanzielle Förderung aus dem Agrarinvestitionsförderprogramm oder über die neuen Tierwohlprämien zu bekommen, reiche es nicht, eine Wand wegzulassen: Die Landwirte müssten „deutlich mehr Tierschutz als den gesetzlichen Standard“ bieten, sagt Böhling. Der Offenstall sei ein Anfang, müsse aber durch geringere Besatzdichten, Freilandhaltung oder ständigen Zugang zu Wühlmaterial ergänzt werden, sagt Böhling.

Ähnlich sieht das Edmund Haferbeck, von der Tierschutzorganisation Peta. Zwar sehe er die Schweinehaltung generell äußerst kritisch, aber Offenställe seien für die Tiere zumindest besser als die konventionelle Buchtenhaltung. Bisher allerdings handle es sich dabei um „eine Nischenhaltung im Promillebereich“, sagt Haferbeck – dabei gebe es das Modell bereits seit zehn Jahren. Die Politik müsse die Offenställe stärker finanziell fördern und mehr Tierschutz von den Betrieben fordern.

Edmund Haferbeck von Peta

„Offenställe sind eine Nischenhaltung im Promillebereich“

Doch viele Landwirte könnten die neuen Auflagen zum Tierwohl, zu Emissions- und Wasserschutz schon heute nicht erfüllen, hält der niedersächsische Landesbauernverband Landvolk dagegen. Viele kleine Betriebe müssten die Schweinezucht einstellen, sagt Verbandssprecherin Gabi von der Brelie. Laut dem Landesamt für Statistik sank der Schweinebestand in Niedersachsen im vergangenen Jahr um 4,3 Prozent. Die Landwirte müssten schauen, ob sich Offenstallhaltung lohne und ob es einen Markt dafür gebe. Zwar würden alternative Haltungsformen oft und intensiv von Politik und Medien vorgestellt, im Einkaufsverhalten fänden sie allerdings nur bei „rund einem Prozent“ der Käufer Anklang, sagt von der Brelie. „Deshalb ist es eine Investitionsfrage.“

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