Funk-Sound aus Nigeria mit Seun Kuti: Den Geist des Vaters beschworen

Der Saxofonist Seun Kuti zeigt in Berlin, wie lebendig der Sound seines Vaters Fela Kuti, des Funk-Großmeisters aus Nigeria, bis heute ist.

Der Geist des Vaters - ohne Piercing. Bild: dapd

Erscheint er, oder erscheint er nicht? Diese Frage stand überlebensgroß im Raum, als Seun Kuti auf seiner ersten Deutschlandtournee in Berlin Station machte. Gemeint war der Geist seines Vaters Fela Kuti, des verstorbenen Afrobeatstars aus Nigeria, der das Genre einst begründete und prägte.

Wie sein Vater ließ Seun Kuti seine Band erst einmal den Saal warmspielen, bevor er selbst die Bühne betrat. Gentlemenlike in Businesshemd und Anzughose, worauf sich erst nach einer halben Stunde die ersten Schweißflecken zeigten, wirkte er zunächst mehr wie ein Diplomatensohn als wie ein Musiker. Und in gewisser Weise passt das ja auch, schließlich ist er so etwas wie der inoffizielle Botschafter seines Landes. Zur Eröffnung spielt er den Fela-Kuti-Klassiker "Zombie" - "aus Respekt vor meinem Vater", wie er erklärte. Seine eigenen Stücke aber schließen nahtlos an dessen Sound an.

Das verwundert kaum, umgibt sich Seun Kuti doch mit Musikern, die schon mit seinem Vater spielten. Entsprechend betagt wirkte so manches Gesicht im Ensemble, doch das tat der Frische des Auftritts keinen Abbruch. Einige von ihnen trugen T-Shirts mit der Aufschrift "100 % Afrobeat - No Bullshit". Denn Afrobeat ist längst eine Marke. Und von sich zu behaupten, das Original zu sein, ist im nicht enden wollenden Rummel um das nigerianische Funkgebräu aus den Siebzigern ein schlagkräftiges Argument.

Nach dem Tod seines Vaters trat Seun Kuti 1997 mit zarten 14 Jahren dessen Erbe als Bandleader an. Als jüngstes Mitglied tritt der 28-Jährige aber gerne mal ins Glied zurück, um anderen den Vortritt zu lassen. Das Orchester funktioniert ohnehin wie eine gut geölte Maschine: Die Stücke mäandern zwar minutenlang, doch jeder Ton sitzt präzise. Der Veteran Baba Ani, mit 71 der älteste im Bunde, dirigiert die vielköpfige Armada aus Bläsern, Bassisten sowie Perkussionisten mit Kalebasse und Schlagholz dann von seinem Keyboard aus.

Bauchnabelpiercing als Hinweis auf die Gegenwart

Das Ganze hat natürlich ein wenig von Reenactment. Und wie das beim Nachspielen von historischen Szenen so ist, übertrifft auch Seun Kuti seinen Vater gelegentlich an Perfektion. Die beiden Backgroundtänzerinnen tragen fast die gleichen Kostüme und Körperbemalungen, wie man sie von den Fotos aus Fela Kutis "Shrine" der siebziger Jahre kennt. Nur das Bauchnabelpiercing zeigt an, dass wir uns in der Gegenwart befinden.

Es ist interessant, Seun Kuti mit seinem 20 Jahre älteren Halbbruder Femi Kuti zu vergleichen. Der stützt sich ebenfalls auf den Nachlass des Vaters, ist damit aber schon ein paar Jahre länger unterwegs. Femis Performance wirkt körperlicher, aggressiver, direkter und sportlicher. Seuns Stil dagegen ist verspielter, jazziger und filigraner. Die Stücke bauen sich langsam auf, entfalten dadurch aber eine umso stärkere Sogwirkung.

Diese ungebrochene Energie macht Seun Kutis Auftritte zu weit mehr als nur jener Séance für Kutiologen, die sie natürlich immer auch sind. Als er sich gegen Ende des Konzerts das nass geschwitzte Hemd vom Leib reißt, kommt auf seinem Rücken in Frakturschrift der eintätowierte Slogan "Fela lebt" zum Vorschein. In diesem Moment ist der Geist des Vaters dann geradezu mit Händen zu greifen.

Termine: 5. Juli Karlsruhe, 6. Juli Hamburg, 9. Juli Augsburg
Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.