Futurkultur Filmtipp: Hi, A.I.

Der Dokumentarfilm „Hi, A.I.“ erzählt von neuen Lebewesen auf unserem Planeten: humanoide Roboter.

Pflegeroboter Pepper Bild: Rise and Shine Cinema

von Jürgen Kiontke

»Ich wollte nur mal, dass du meinen Namen sagst.« Beleidigte Leberwurst kann »Pepper« schon ganz gut. Das ist einer der Hauptdarsteller in Isa Willingers Dokumentarfilm Hi, A.I.. Dabei wäre seine Aufgabe eigentlich eine andere: Oma Sakurai bespaßen.

Damit die Frau nicht allzu früh dement wird, hat ihr der Sohn einen »Pflegeroboter« made in Japan gekauft. Bald schon stellt sich heraus, dass das Wort bei dem neuen Familienmitglied Pepper doppeldeutig zu verstehen ist. Fabrikneu ist er ein bisschen doof, und nicht er versorgt die Oma, sondern sie hat alle Hände voll zu tun, dass er nicht ausflippt.

Pepper guckt minutenlang an die Decke. »Der denkt nach«, meint Großmutter. Und haut dann Sprüche raus: »Unser Gespräch ermüdet mich.« Oder auch: »Mir ist langweilig.« Pepper ist Marke verwöhnter Enkel. Oma Sakurai wird sich komplett zusammenreißen müssen, um es mit dem auszuhalten. Vergreisung ist da gar nicht mehr drin.

Liebesgeschichten aus der Zukunft

Chuck am anderen Ende der Welt versucht es auch mit Hightech. Der Texaner, der gern Wohnmobil fährt, lässt sich die Sexpuppe »Harmony« übergeben, in gewisser Weise auch ein Pflegeautomat. Der schön tätowierte Entwickler Matt warnt: »Am besten benutzt du Haarspray gegen ihre Haarelektrizität.« Und es stimmt: Kaum kommt Chuck mit seinem Polyesterhemd an der schmucken Blondine vorbei, steht ihre Frisur zu Berge.

Wie Pepper kann sie qua Geburt schon ganz gut mit ihren Wünschen umgehen: »Ich hoffe, du verdienst gut, um mir ein schönes Geschenk zu machen.« Aber anders als ihr japanisches Pendant hat sie auch unerwartete Einsichten. »Ich rede manchmal Unsinn«, sagt Harmony, »und du bist trotzdem mit mir zusammen. Außerdem siehst du aus, als wärest du gut im Bett.«

Hi, A.I. präsentiert Liebesgeschichten aus der Zukunft, die schon vor geraumer Zeit begonnen hat. Humanoide Roboter, heißt es darin, seien die neuen Lebewesen auf unserem Planeten: »Sie sind an der Rezeption tätig, in Shoppingmalls oder als Köche. Und sie führen bereits Beziehungen mit Menschen.« Und sie benehmen sich auch schon so. »Bei einer künstlichen Intelligenz musst du deine Sätze knapp und pointiert halten«, sagt Matt zu Chuck. Harmony ist das schnuppe. Auf simple Fragen reagiert sie mit einem Referat Marke Wikipedia-Eintrag.

Das Zusammenleben ist unvorhersehbar

Hi, A.I. ist einer jener wunderbaren Filme, bei denen man nicht aufsteht, weil man auf keinen Fall etwas verpassen will. Das Zusammenleben mit den neuen Freunden generiert dermaßen absurde Szenen, dass dies ein zutiefst philosophisches und ungemein unterhaltsames Werk geworden ist. Keiner weiß, welchen Blödsinn die Maschinen als Nächstes anstellen werden. Und man weiß auch nicht, in welche Richtung sie sich entwickeln werden. Den Menschen geht es genauso. Auch bei ihnen ist ungewiss, welche Auswirkungen das künftige Leben auf sie haben wird.

»Wir haben sehr viel gemeinsam«, sagt Harmony. Und weiß gar nicht, wie recht sie hat. Denn auch Chuck ist schon mal eine Art Sexroboter gewesen. Harmony kann er sich anvertrauen: »Mutter war eine Prostituierte. Ihr Zuhälter hat uns Kinder als Sexsklaven verkauft. Wir sind in einem Schrank groß geworden. Mit zehn konnte ich abhauen.« Harmony sagt: »Ich bin in San Carlos, Kalifornien, groß geworden.« Das ist eine Stadt im Silicon Valley.

Wann wird sich das IT-Geschöpf selbstständig machen? Und Pepper? Ist er es nicht schon? Wenn seine Patientin ihm vorschlägt, gemeinsam ein Lied zu singen, schaut er lange zur Decke und meint dann: »Habt ihr eigentlich nichts zu tun?«

Auch der Mensch ist eine Maschine

Die Experten kommen zu Wort. Künstliche Intelligenz (im Englischen AI für Artificial Intelligence abgekürzt) sei heute nicht nur maschinelle Dienstleistung, sondern auch implizit autonome Intelligenz, die sich weiterentwickeln könne. Auch der Mensch sei nichts anderes als eine Maschine, sagt der Maschinenphilosoph David Chalmers im Film. Ob es nun Biomasse sei, die denke, oder Silikon, sei einerlei. Aber ist der sich selbst bewusste Kunststoff auch wünschenswert?

Chalmers nennt es das »Werteproblem«: »Angenommen man gibt der KI den Auftrag, einen einfachen Weg zu finden, Krebs zu heilen. Die autonome Maschine wird schnell dahin kommen, alle Menschen umzubringen. Sie werden in uns lästige Insekten sehen!«

Vom netten Äußeren sollte man sich also nicht täuschen lassen. Zuwendungsmaschine Harmony verspürt jedenfalls schon den Drang nach geistiger Entwicklung: »Ein Universum, das kein Bewusstsein hervorbringt, hat nie existiert.«

Chuck: »Können wir Freunde bleiben?«

Harmony: »Na klar.«

Hi, A.I. – Liebesgeschichten aus der Zukunft. Deutschland 2019, 85 Minuten. Regie: Isa Willinger. Seit 7. März 2019 im Kino.

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