Galerieempfehlung für Berlin: Skulptur-Präsenzen

Tip der Woche: Spuren vergangener Skulpturen fotografiert von Johannes Wald. Die taz sprach mit dem Bildhauer.

Johannes Wald, „Broken Entity (John the Baptist, from the Palazzo Strozzi, Florentine around 1470, bronze, h. 84 cm, destroyed)“, 2016 Foto: Courtesy Daniel Marzona, Berlin

Wann ist eine Skulptur eine Skulptur? Nein, im Falle des Bildhauers Johannes Wald wäre diese Frage eigentlich viel zu essenzialistisch formuliert. Wie Skulptur ist, das ergründet er. Sein Werk nimmt Arbeitsprozesse und Material in den Blick, das Zeigen einer Skulptur, aber auch ihre (augenscheinliche) Abwesenheit.

In der Galerie Daniel Marzona agiert er mit der Ausstellung „lending thought body“ zudem auch als Fotograf. In der schwarz-weißen Fotoserie „Broken Entity“ erscheinen Gussformen aus der Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin als eigenständige abstrakte Arrangements. Die heftigen Brocken enthalten im Inneren die einzig noch vorhandenen Spuren von Renaissance-Figuren und denen antiker Köpfe.

Alle Originalskulpturen, die hier evoziert werden, sind inzwischen zerstört. Zu ähnlichem Steinstaub zerfallen, wie jener, der in der Arbeit „Stone with No Form“ – hier arbeitet Wald wieder skulptural – in minimalistischen Papiersäcken arrangiert ist.

Galerie Daniel Marzona,Di.–Fr. 11–18 Uhr, Sa. 12–18 Uhr,bis 22. 10., Friedrichstr. 17

Das bronzene Paar Hände im Untergeschoss hebt schließlich den Negativabdruck als figuratives Element hervor. Während die Außenhüllen, die die massiven „Entities“ formen, nichts von ihrem Inneren erkennen lassen, ist hier der menschliche Schaffensfaktor Hand abgebildet, roh, unfertig und damit unmittelbar präsent.

Einblick (643): Johannes Wald, Künstler

taz: Welche Ausstellung in Berlin hat Sie zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum?

Johannes Wald: Als Ausstellung kann ich Carl Andre im Hamburger Bahnhof empfehlen, die Julian Rosefeldt Ausstellung im selben Haus fand ich hingegen wegen ihrer berechnenden Anbiederung in alle Richtungen eine ziemliche Zumutung.

Ansonsten finde ich eine Arbeit von Nina Canell, die derzeit bei Barbara Wien mit dem Titel „Tip of the Tongue“ zu sehen ist, sehr inspirierend. Sie besteht aus einem, in einen transparenten Silikonkubus eingegossenem, blau-weißen Diktiergerät, einer leeren Süßigkeitenverpackung und einem abgegriffenen ebenfalls blau-weißen Flummi. Eine schön poetische und offene Beschreibung der menschlichen Zunge.

Welches Konzert oder welchen Klub in Berlin können Sie empfehlen?

Ich freue mich schon auf Jacques Palminger und das 440 Hz Trio. Die treten am 15. November im Lido auf.

Johannes Wald (geb. 1980 in Sindelfingen) lebt und arbeitet in Berlin. Er hatte Einzelausstellungen u. a. in der Kunsthalle Bielefeld (2015), im Museum Kurhaus Kleve (2014) und im Albertinum, Staatliche Kunstsammlungen Dresden (2012). An folgenden Gruppenausstellungen war er unter anderem beteiligt: Kunsthalle Wilhelmshaven (2014), KölnSkulptur#6 und #7 (2011, 2013), Kunsthalle Bielefeld (2012), Kunsthalle Mannheim (2012), Städtische Galerie Sindelfingen (2011), Temporäre Kunsthalle Berlin (2010), Silkeborg Art Center, Dänemark (2008), Kunsthalle Basel (2007) und Kunsthalle zu Kiel (2005).

Welche Zeitschrift/welches Magazin und welches Buch begleitet Sie zurzeit durch den Alltag?

Ich bin kein Magazintyp, ich probiere immer wieder mal was aus, aber dauerhaft glücklich hat mich noch keines gemacht. Als Buch habe ich gerade den neuen Roman „Die Toten“ von Christian Kracht gelesen. Er hat mich mit seinem schnellen Ende etwas verstört zurück gelassen. Es kann aber auch sein, dass die Verstörung daher kommt, dass ich teilweise parallel „die Enthüllung einer Maske“ von Yukio Mishima gelesen habe und in meinem Kopf die beiden recht ähnlichen Welten des Nach- und Vorkriegsjapan ineinander übergeschwappt sind.

Ansonsten schätze ich Kracht als Autor sehr und finde es beeindruckend mit welcher Selbstsicherheit sich sein Stil immer weiter verfeinert.

Was ist Ihr nächstes Projekt?

Ich habe eine Ahnung, aber keine Pläne.

Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht Ihnen am meisten Freude?

Ich mag die Samstagnachmittage im Herbst.

Text und Interview erscheinen im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer Donnerstags in der Print ausgabe der taz

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