Geburtstagssymposium für Ökoforscher: Aufruf zur Rebellion

Ernst Ulrich von Weizsäcker, Ökologe und Umweltpolitiker, kritisiert Fehlentwicklungen in der Wissenschaft. Doch der Protest bleibt aus.

Ernst Ulrich von Weizsäcker feierte am 25. Juni 2014 seinen 75. Geburtstag. Bild: dpa

BERLIN taz | Scharfe Kritik am Zustand des deutschen Wissenschaftssystems hat der Umweltforscher und frühere Vorsitzende der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW), Ernst Ulrich von Weizsäcker, geübt. Das gesamte wissenschaftliche Publikationswesen mit der Ausrichtung auf „Peer-Review“-Zeitschriften ohne relevanten Wissensfortschritt allein zu Karrierezwecken oder die Verschulung des Hochschulstudiums durch die Bologna-Reform seien Fehlentwicklungen, die Widerstand provozieren müssten, sagte von Weizsäcker anlässlich eines Symposiums, das am Mittwoch zu seinem 75. Geburtstag in der Berliner Humboldt-Universität veranstaltet wurde.

In seiner Studentenzeit seien akademische Verkrustungen mit studentischer Rebellion beantwortet worden. Die heutige Studentengeneration sei resigniert und leide unter Bologna. „Da muss wieder Rebellion rein“, forderte Weizsäcker.

Der wissenschaftliche Lebensweg des studierten Biologen umfasst zahlreiche Stationen: Präsident der Gesamthochschule Kassel, an der er die ökologische Agrarforschung einführte, Gründer des Instituts für Europäische Umweltpolitik in Bonn und des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt, Energie.

Für zwei Legislaturperioden gehörte Weizsäcker dem Bundestag an. Er wirkte auch stark über Bücher. „Erdpolitik“ oder „Faktor 4“ als Grundlage einer ökologischen Effizienzpolitik sind Klassiker der Öko-Literatur geworden. Heute ist Weizsäcker Co-Vorsitzender des Club of Rome.

Prominenter Gratulant bei der Geburtstagsfeier im Berliner Rathaus am Mittwochabend war Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der Weizsäckers Zukunftsorientierung während seiner Zeit als SPD-Bundestagsabgeordneter 1998 bis 2005 würdigte.

Er sei trotz seines profunden Wissens „politisch nie ein Theoretiker gewesen, sondern immer ein pragmatischer Aktivist“, sagte Gabriel und fügte in seiner Funktion als SPD-Parteivorsitzender hinzu: „Wir sind grottenstolz, dass du einer von uns bist.“

Zur aktuellen Politik erklärte der Minister: „Zur Hauptsache der Energiewende muss jetzt die Energieeffizienz werden.“ Das sei „ein wichtiger Punkt, der bis jetzt liegen geblieben ist“.

Gabriel reagierte damit auf eine Kritik an der EEG-Novelle, die der Jubilar Ernst Ulrich von Weizsäcker zuvor in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau geäußert hatte: „Mir sind darin die Anreize für Energieeffizienz und die Honorierung der Bürger-Energiegenossenschaften zu schwach, und die Eigenstrom-’Besteuerung‘ ist schwer vermittelbar“, sagte er dort. Gabriel gestand zu, dass in der Energiepolitik „noch ein harter Kampf“ bevorstehe.

Der Potsdamer Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber charakterisierte Weizsäcker als „globalen Nachbarn“, „radikalen Wahrsager“ und „zeitgemäßen Sozialdemokraten“. Der frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete und Bremer Umweltsenator Reinhard Loske erinnerte an die Aufbaujahre des Wuppertal-Instituts, wo er als junger Öko-Forscher die einflussreiche Studie „Zukunftsfähiges Deutschland“ realisieren konnte.

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