Gefängnisaufstand in Texas: „Die werden ohnehin abgeschoben“

Überfüllt, unhygienisch, Zwangsarbeit: In Südtexas rebellieren ausländische Gefangene gegen die Bedingungen in privat betriebenen Haftanstalten.

Unterbringung in Zelten statt in richtigen Gebäuden: Für den privaten Betreiber ist dieses Gefängnis ein Gewinngeschäft. Bild: ap

NEW YORK taz | Die 2.800 Insassen des Gefängnisses in Raymondville in Süd-Texas werden bis Anfang nächster Woche auf andere Strafanstalten verteilt. Das Willacy County Correctional Center ist offiziell „unbewohnbar“ geworden.

Bei einem Aufstand hatten die Gefangenen – Einwanderer ohne Papiere, die wegen „illegaler Grenzüberschreitung“ oder Drogendelikten einsitzen – am Freitag für mehr als 24 Stunden die Kontrolle übernommen. Sie verweigerten die Arbeit, „bewaffneten“ sich mit Rohrstücken und setzten drei der zehn Unterkünfte in Brand. Die Gefängniswärter antworteten mit Tränengas und anderen „nicht tödlichen Waffen“. So weit bekannt, richtete sich der Protest gegen die unzureichende medizinische Versorgung, die Massenunterkünfte, die schlechte sanitäre Versorgung und die Zwangsarbeit.

Hinter den doppelten Zaunreihen, in rund fünf Meter Höhe gekrönt von einer dichten Rolle Stacheldraht, spielten sich chaotische Szenen ab, als Insassen versuchten, dem Rauch zu entfliehen. Außerhalb des Zauns fuhren Wagen aller möglichen Strafvollzugseinheiten auf – von der Einwanderungspolizei über die State Troopers bis hin zum FBI. Hubschrauber kreisten in der Luft.

Von Wachtürmen aus richteten Uniformierte ihre Waffen auf die Gefangenen. So weit bislang bekannt, gab es lediglich einige leicht Verletzte.

„Universelle Verzweiflung“ der Gefangenen

Das erst neun Jahre alte Gefängnis ist berüchtigt für seine Haftbedingungen. Die Menschen waren zu jeweils 200 in Zelten – nicht in festen Gebäuden – untergebracht. Nach Berichten von Anwälten waren die Schlafstellen nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, die Toiletten regelmäßig überflutet. In den Zelten wimmelte es von Insekten, die Kleidung der Gefangenen wurde zusammen mit den Wischmopps gewaschen.

Immer wieder wurden Insassen wegen Überfüllung der Zelte in Isolationshaft gebracht. Der texanische Anwalt Carl Takei spricht gegenüber Journalisten von einer „universellen Verzweiflung“, die er bei den Gefängnisinsassen gespürt habe.

Auch Berichte über Gewaltanwendung gegen Gefangene drangen immer wieder nach außen. 2007 wurden vier Wärter wegen sexuellen Missbrauchs und Menschenschmuggels über die nur 40 Meilen entfernte Grenze zu Mexiko angeklagt. In einem im vergangenen Jahr veröffentlichten Bericht über die Zustände im Inneren des Gefängnisses zitiert die Bürgerrechtsorganisation ACLU den Insassen „Dante“, der von Mitgefangenen berichtet, die die Zelte abbrennen wollten. Resigniert sagt er: „Was soll das schon bringen?“

Das Gefängnis ist ein „CAR“ – gedacht ausschließlich für „fremde Kriminelle“. US-weit gibt es 13 derartige Criminal-Alien-Requirement-Anstalten. Die Bedingungen in den CARs sind noch härter als in den anderen Gefängnissen in den USA. Mit der Begründung, dass die Gefangenen nach Absitzen ihrer Strafen ohnehin ins Ausland abgeschoben werden, unternehmen die Betreiber erst gar nicht den Versuch, die Insassen zu alphabetisieren, beruflich weiterzubilden, ihnen einen Drogenentzug anzubieten oder sie anderweitig zu „resozialisieren“.

Weltweit die meisten Gefangenen

Für den privaten Betreiber – das in Utah ansässige Management & Training Corp (MTC) – ist das Gefängnis eine Geschäft. MTC hat 2006 einen 10-Jahres-Vertrag von der Gefängnisbehörde Bureau of Prisons bekommen. Er beinhaltet Garantien über die Belegung und feste Zahlungen pro Insasse. Auch das County profitiert von dem Gefängnis. Der Landkreis kassiert pro Insasse und Tag 2,50 Dollar.

Die Zahl der Gefängnisinsassen in den USA ist seit 1980 kontinuierlich gestiegen. 2014 waren nach den Zahlen der Prison Policy Initiative 2,4 Millionen Menschen hinter Gittern, nach den Daten des International Center for Prison Studies sind es 2,2 Millionen. Damit haben die USA mehr Gefangene als jedes andere Land der Welt.

Seit der Öffnung der „Branche“ für den Privatsektor in den 80er Jahren sind zahlreiche Unternehmen in das Geschäft eingestiegen. Die „Gefängnisindustrie“ hat einen eigenen Berufsverband, eigene Messen und – dank Gefangenenarbeit für 25 Cent pro Stunde – Garantiegewinne.

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