Geflüchtete in Ungarn: Getreten und von Hunden gejagt

Amnesty International kritisiert die Behördenwillkür und Misshandlung von Geflüchteten. Das Vorgehen würde als Abschreckung dienen.

Vor einem Zelt liegen Decken und ein Koffer, in dem Zelt ein Baby

Flüchtlingslager an der ungarisch-serbischen Grenze in Röszke Foto: reuters

WIEN taz | „Viktor Orbán tritt die Vereinbarungen der Europäischen Union mit Füßen. Die Institutionen der EU sind zu feige, diese Rechtsverletzungen konsequent zu verfolgen.“ So kommentiert Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich, den jüngsten Bericht der Menschenrechtsorganisation über die Behandlung von Flüchtlingen in Ungarn: „Immer mehr Mitgliedstaaten – auch Österreich – schauen weg und akzeptieren, dass die Regierung Orbán die Rolle des Bad Guy so gut erfüllt und für sie die Drecksarbeit macht.“

Für den am Dienstag veröffentlichten und vorerst nur auf Englisch vorliegenden Bericht „Stranded hope: Hungary’s sustained attack on the rights of refugees and migrants“ hat Amnesty 143 Zeugen, hauptsächlich Flüchtlinge, befragt, sowie in Serbien, Ungarn und Österreich recherchiert. So wird kritisiert, dass ein neues Gesetz es den ungarischen Sicherheitsbehörden erlaube, Menschen, die auf der Flucht bereits unbemerkt ungarisches Territorium betreten haben, nach Serbien zurückzudrängen.

Tausende von Asylsuchenden, darunter auch unbegleitete Minderjährige, seien der Willkür der ungarischen Behörden schutzlos ausgeliefert. Der Report spricht von Misshandlungen, illegalen Zurückweisungen und willkürlichen Verhaftungen. Das Vorgehen der ungarischen Behörden habe System: Asylsuchende sollen so abgeschreckt werden.

Ungarn hat vor einem Jahr einen Zaun an der Grenze zu Serbien hochgezogen. Illegaler Grenzübertritt ist seither ein strafrechtliches Delikt und wird im Schnellverfahren abgeurteilt. Ein im vergangenen Juni in Kraft getretenes Gesetz sieht vor, dass jeder Asylsuchende, der acht Kilometer vom Grenzzaun entfernt aufgegriffen wird, sofort nach Serbien zurückgeschoben werden kann. In Serbien warten Hunderte in überfüllten Lagern auf die Weiterreise. Alleinreisende Männer, so der Amnesty-Bericht, würden in Ungarn oft wochenlang eingesperrt.

Schutzmechanismen ausgehebelt

John Dalhuisen, Europadirektor von Amnesty International, wirft Premier Orbán vor, „die Rechtsstaatlichkeit in seinem Land durch eine Angstherrschaft ersetzt“ zu haben: „Seine Versuche, Flüchtlinge abzuschrecken, haben dazu geführt, dass Menschen auf der Flucht gedemütigt oder misshandelt werden. Mechanismen zu ihrem Schutz werden systematisch ausgehebelt.“

Ein im Bericht zitierter Asylsuchender wurde Zeuge, wie ein Polizist einen Mann schlug. Als er versuchte, sich für ihn einzusetzen, soll der Polizist gesagt haben: „Wir können tun, was wir wollen. Wenn Sie sich beschweren, wird Ihnen sowieso niemand zuhören.“

John Dahlhuisen sieht die Rechtsstaatlickeit in Ungarn in Gefahr. „Die Europäische Asylpolitik muss endlich besser abgestimmt sein – aber sie darf nicht „orbanisiert» werden“. Das Versagen Europas, Ungarn wegen der Verletzung Europäischen Rechts zu bestrafen, stärke die fremdenfeindlichen Tendenzen im Land und unterstütze die Populisten.

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