Gegen Gentrifizierung I: Immer Ärger mit den Mietern

Blockaden von Bussen einer Immobilientagung, Farbbeutelwürfe, zerstochene Reifen: Radikalisiert sich der Berliner Protest gegen steigende Mieten?

Ja, gut. Aber wie? Bild: dapd

Mietenprotest rabiata: In Prenzlauer Berg können sich Immobilienexperten nur unter Polizeischutz und Farbbeutelwürfen zu einem Dinner treffen. In Kreuzberg wird die Fahrzeugflotte des Häusermultis Taekker demoliert. Im Neuköllner Schillerkiez schlagen Vermummte in der Nacht zu Dienstag die Scheiben einer neuen Bar ein und tünchen die Wand in rote Farbe. Radikalisiert sich der Berliner Protest gegen Gentrifizierung und steigende Mieten?

Bei den Veranstaltern der Jahrestagung Immobilienwirtschaft ist man einen Tag nach den deutlichen Protesten (siehe unten) verunsichert. „Diese Art von Protest“, so Sprecherin Julia Batzing, „hatten wir nicht erwartet“. Wie sie das findet? „Wenn Personen gefährdet werden, hat das mit Meinungsaustausch nichts mehr zu tun.“

Auch Christian Kohlhoff, Geschäftsführer der Taekker-Immobilienverwaltung, zeigt sich „enttäuscht“: Unbekannte hatten Ende letzter Woche zuerst ein Taekker-Loft in Neukölln mit Beton, Bauschaum und Buttersäure verwüstet. Am Montag entdeckte zudem ein Mitarbeiter 13 Unternehmensautos auf dem Firmenparkplatz am Paul-Lincke-Ufer, bei denen die Reifen zerstochen waren. „Auch wenn uns solche Aktionen vom Gegenteil überzeugen müssten", so Kohlhoff. "Wir sind eine offene Firma und wollen das auch bleiben."

Die Aktion auf dem Parkplatz, heißt es in einem im Netz veröffentlichten Bekennerschreiben, sei ein „kleiner Beitrag zu der in Berlin an Dynamik gewinnenden Bewegung gegen Gentrifizierung“. Auch die Gegner der Immobilientagung feierten am Dienstag ihren Erfolg. „Der gestrige Tag hat gezeigt: Berlin ist kein sicheres Anlageparadies für Investoren. Hier wehren sich Mieter“, heißt es in einer Mitteilung: „In Berlin kauft man Ärger!“

Stadtforscher Sigmar Gude hält eine Radikalisierung des Mietprotests durchaus für möglich: „Angesichts der Mietsteigerungsraten und Verarmung in der Innenstadt wäre das nicht überraschend.“ Protestaktionen seien aber nur dann sinnvoll, wenn sie öffentlich erkennbar auf dieses Problem hinwiesen.

Im Abgeordnetenhaus wertet man die jüngsten Aktionen kritisch. Katrin Lompscher, Sprecherin für Stadtentwicklung der Linken, geht die Militanz zu weit. Zwar hatte zu den Protesten gegen die Immobilientagung auch die Linke mit aufgerufen. „Solche Protestformen sind kontraproduktiv“, sagte Lompscher jedoch. „Sie steigern nicht gerade die Sympathie für den Protest.“ Man müsse andere Mittel finden.

Pirat Oliver Höfinghoff sagte, von vielen Mieterinitiativen werde fundiert und friedlich protestiert – zum Beispiel am Kottbusser Tor, wo Anwohner seit drei Wochen in einem Bretterverschlag auf dem Bürgersteig campen. „Diese Anwohner betrachten es sicher nicht als dienlich für ihre Sache, wenn nun Lofts in Neukölln verwüstet werden“, so Höfinghoff.

Auch in der linken Szene gibt es vorsichtig kritische Töne. Ein Protest, der sich etwa „an einzelne Akteure des Jahrestreffens“ richte, greife zu kurz, heißt es auf der linken Internetplattform Indymedia. Dann bleibe es bei konstruierten Yuppie-Feindbildern. Lea Voigt vom Demo-Bündnis gegen die Immobilientagung erwidert: „Natürlich zeigen wir, dass Mieterhöhungen keine Naturgesetze sind. Wir wenden uns aber gegen die Rendite, nicht gegen Personen.“ Und weil einige Mieter massiv von Erhöhungen betroffen seien, seien „drastische Proteste“ im Grunde doch wenig überraschend.

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