Geheimdienst rapportiert: Spione klären auf

Der Verfassungsschutz verzeichnet den Rückgang islamistischer und rechtsextremer Organisationen – dafür aber umso gefährlichere Einzelgänger.

Kooperationen sind in der Geheimdienstbranche der Hit, das weiß man beim Bremer Verfassungsschutz genauso wie bei MI 5 und CIA. Bild: dpa

BREMEN taz | Der Verfassungsschutz warnt vor fanatisierten islamistischen Einzeltätern. Zwar werteten Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) und Verfassungsschutz-Chef Hans-Joachim von Wachter das Verbot des islamischen „Kultur- und Familienvereins“ (KUF) in Gröpelingen Anfang Dezember als Erfolg. Doch Islamismus bleibt neben dem Rechtsextremismus weiterhin Ermittlungs-Schwerpunkt des Geheimdienstes, heißt es im am Dienstag veröffentlichten Jahresbericht 2014.

Angeheizt werde die Gefahrensituation durch den Syrien-Konflikt. 20 Erwachsene hat der Verfassungsschutz gezählt, die mit elf Kindern in das Kriegsgebiet gereist seien. Es sei nicht auszuschließen, sagte Mäurer, dass sie ihre Kampferfahrung nutzten, „um künftig in Deutschland Anschläge zu verüben“. Amts-Chef von Wachter begrüßte, dass nach neuem Bundesrecht seit vergangenem Jahr neben Reisepässen auch Personalausweise eingezogen werden können, um diese Bewegungen zu stoppen. Neun Mal sei das in Bremen bisher geschehen.

Erschwert wird die Überwachung potenziellen Täter durch ihre Vereinzelung. So könnten über das Internet radikalisierte junge Erwachsene spontane Aktionen durchführen, ohne zuvor in verdächtigen Organisationen auffällig geworden zu sein. An dieser Entwicklung war das KUF-Verbot der Innenbehörde nicht ganz unbeteiligt, räumte Mäurer ein: Vereine, „bei denen man nur gucken muss, wer durch die Tür geht“, seien natürlich einfacher zu überwachen.

Dennoch sei das seit Jahren angestrebte Verbot ein wichtiger Schritt gewesen. „Wir haben nicht die Illusion, dass jemand durch Verbote vernünftig wird“, sagte Mäurer. Aber mit scheinbar harmlosen Angeboten wie Sprachkursen, Kinder- und Sportprogrammen sei die Einrichtung ein gefährlicher Radikalisierungsträger gewesen. Den Ausschlag für ein gerichtsfestes Verbot habe schließlich gegeben, dass alle Syrien-Ausreisenden aus dem Umfeld des Vereins stammen.

Weiterhin im Fokus steht das Islamische Kulturzentrum (IKZ) am Breitenweg – nach Einschätzung der Innenbehörde eine wichtige Anlaufstelle für gewaltbereite Salafisten. In Folge der polizeilichen Durchsuchung im Rahmen des Anti-Terror-Einsatzes Ende Februar hatte sich die Einrichtung vergeblich vor Gericht gegen diese Einschätzung zu wehren versucht. Mäurer legte nach: Zwar sei Salafismus nicht unbedingt gleich Terrorismus, sagte er – die Missionierungsarbeit des IKZ sei aber dessen Nährboden. „Pop-Salafismus“ wie ihn der mit dem IKZ verbundene Prediger Pierre Vogel praktiziere, „führt direkt zum Islamischen Staat“, so der Innensenator.

Wo die Verfolgung schwer ist, setzen Verfassungsschutz und Innenbehörde verstärkt auf Aufklärung. Mäurer lobte die Beratungsstelle „kitab“, die Angehörige von sich radikalisierenden Jugendlichen unterstützt – mit derzeit nur zwei Mitarbeitern. In Zusammenarbeit mit dem Sozialressort müsse hier dringend mehr Personal zur Verfügung gestellt werden, sagte Mäurer. Zudem sollen weitere Einrichtungen zur Deradikalisierung von Syrien-Rückkehrern her. Für entsprechende Bundesmittel und verstärkte Kooperation will er sich auf der Innenministerkonferenz im Juni einsetzen.

Die Auflösung klassischer Organisationsstrukturen verzeichnet der Bericht auch beim Rechtsextremismus. Parteien wie die NPD und „Die Rechte“ spielen laut von Wachter derzeit kaum noch eine Rolle in Bremen. Dafür aber wachse der rechtsextreme Einfluss auf subkulturelle Zusammenhänge wie die Rocker- oder Hooligan-Szene. Dort sei weniger die ideologische Linie das Problem, sondern die hohe Gewaltbereitschaft. Einzelne Rechtsextreme könnten hier auch kurzfristig Menschen zur Gewalttaten anstacheln, die „gar nicht so genau wissen, was sie da eigentlich tun“, sagte von Wachter.

Eher „der Vollständigkeit halber abgehandelt“, sagte Mäurer, habe man den Linksextremismus. Zwar gebe es in Bremen rund 200 Autonome – die aber verübten hier nur vereinzelt Straftaten. Die „Autonome Vollversammlung“ als letzter größerer Vernetzungsversuch hatte sich im März 2014 nach mehreren Monaten der Inaktivität aufgelöst. Den Bericht seitenweise mit marxistischen Zirkeln oder in die Jahre gekommenen Gruppen zum Wiederaufbau der KPD zu füllen – das wollte man dann auch nicht. Von Marx-Lesekreisen, sagte Mäurer, „geht keine Gefahr für den Bestand der Bundesrepublik aus.“

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