Gemein zur AfD oder gut zur Verfassung?: Kultur ist Kampf (ist Kultur)

Hamburgs Kultursenator hält sich nicht mit falsch verstandener Neutralität auf. Die AfD ärgert das (angeblich) sehr.

Carsten Brosda (SPD) findet, Kultureinrichtungen sollen sich politisch positionieren dürfen Foto: dpa

HAMBURG taz | Hat er sich an die einschlägigen „Rechtsvorschriften“ gehalten, Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD), als er sich im vergangenen November mit der „Erklärung der Vielen“ solidarisierte?

Nicht aus Sicht der AfD, das wurde spätestens klar, als die im Dezember eine umfangreiche Umfrage an den Senat richtete. Jenes Positionspapier nämlich, getragen von einer dreistelligen Zahl örtlicher Kultureinrichtungen, wandte sich gegen „Rechte und nationalistische Gruppierungen und Parteien“. Diese, heißt es darin, „stören Veranstaltungen, wollen in Spielpläne eingreifen, polemisieren gegen die Freiheit der Kunst und arbeiten an einer Renationalisierung der Kultur“.

Was bei der Vorstellung des Papiers Bettina Steinbrügge, Chefin des Hamburger Kunstvereins, so explizierte: Auch die Hamburger AfD suche zeitgenössische bildende Kunst zu diskreditieren, nutze das parlamentarische Werkzeug der Kleinen Anfrage für „Schikane“.

Kultureinrichtungen stünden „zunehmend unter Druck“, erklärte dann eben auch Bros­da über offizielle, behördliche Kanäle: „Insbesondere rechtspopulistischen Angriffen auf unsere freie und offene Gesellschaft müssen wir uns entgegenstellen.“ Umso mehr dankte man „den Kultureinrichtungen, Künstlerinnen und Künstlern für ihr Engagement im Rahmen dieser Initiative, aber auch in ihrer täglichen künstlerischen Arbeit“.

Alles ganz klar gegen die AfD gerichtet, fand diese, mithin gegen eine nicht als verfassungsfeindlich eingestufte Partei; der Beifall für „die Vielen“ verletze also die staatliche Pflicht zur Neu­tralität. Die Kulturbehörde antwortete unter Hinweis auf Menschenwürde und Kunstfreiheit, eine „Verteidigung der Verfassungsordnung“ begegne „keinen rechtlichen Bedenken“ – auch nicht „vor dem Hintergrund des Neu­tralitätsgebotes“.

Quoten are a girl's best friend – Frauen in Film und Medien: Mi, 20.3., 18.30 Uhr, Rathaus/Kaisersaal, Rathausmarkt 1, Hamburg. Um Anmeldung wird gebeten: info@spd-fraktion.hamburg.de oder per Fax: 040/4273-12291

Kunstfreiheit als Gradmesser demokratischer Freiheit – zum Zusammenhang von Kultur, offener Gesellschaft und Demokratie: Mi, 20.3., 19.30 Uhr, Kunstverein Hamburg, Klosterwall 23

Steinbrügge ist wieder dabei, als Hausherrin mit eröffnenden Worten, wenn Brosda am Mittwoch nachlegt, so werden es die damaligen Anfragesteller wohl einschätzen: „Kunstfreiheit als Gradmesser demokratischer Freiheit“ ist eine Veranstaltung überschrieben, zu welcher der Verein Kulturforum in den Kunstverein lädt.

Dass der Senator, ehe er im Kunstverein zu erscheinen plant, noch eben selbst ein Grußwort spricht bei einer SPD-Veranstaltung für mehr Frauenquoten in der Medienbranche: Auch von so was fühlt sich ja immer irgendwer (also: -ein Mann) bedroht.

„Recht auf Positionen“

Was die Sache aus AfD-Sicht vermutlich auch nicht besser macht: Der langjährige Redenschreiber Brosda, der auch schon mal mit Adorno eröffnet, um über Kant und das Thema „Fake News“ zum Ruf nach der Verteidigung der Wahrheit zu gelangen, ist derzeit Kopf der neuen Kulturministerkonferenz – und die beschloss als Erstes ein „Bekenntnis zur kulturellen und künstlerischen Freiheit“.

Vom „Recht künstlerischer Arbeit, gesellschaftspolitische Fragen zu reflektieren und Position zu beziehen“ ist darin die Rede. Und die AfD, deren bekannte Diskursstrategien nahelegen: Etwas Besseres als so ein bisschen unterdrückt sich darstellen zu können, tja, kann ihr eigentlich gar nicht passieren? Ist für Brosda „eine Partei, die Kulturthemen für ihre Zwecke missbraucht“, das ließ er neulich das Hamburger Abendblatt wissen. „Das können wir nicht ignorieren.“

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