Gesetz gegen Gewalt in Somaliland: Hoffnung für Frauen

Ein wichtiger, erster Schritt: Die neu gewählte Regierung in der Republik geht gegen Genitalverstümmelung vor. 98 Prozent der Frauen sind beschnitten.

Frauen stehen an einem Zaun, sie lachen und winken

Für mehr Selbstbestimmung: Frauen in Somaliland Foto: ap

BERLIN/HARGEISA taz | Die im November gewählte neue Regierung der international nicht anerkannten Republik Somaliland greift mit gleich zwei Initiativen wichtige Frauenrechtsthemen auf: Genitalverstümmelung und sexuelle Gewalt. In Somalia, zu dem Somaliland völkerrechtlich gehört, ist die Mädchen- und Frauenbeschneidung weiter verbreitet als fast überall auf der Welt.

Am 6. Januar stimmte das Parlament für einen Gesetzentwurf, der vorsieht, dass die Ausübung sexueller Gewalt künftig ein eigener Straftatbestand sein soll, der mit bis zu 30 Jahren Freiheitsentzug bestraft wird. Ein wichtiges und brisantes Thema, das nun Öffentlichkeit bekommt. Der Gesetzentwurf muss nun den Ältestenrat (Guurti) passieren und von Präsident Muse Bihi Abdi unterzeichnet werden.

Nafisa Yusuf, die Vorsitzende von Nagaad, des Dachverbands von 45 somaliländischen Fraueninitiativen, begann bereits 2011 Gespräche mit Regierungsvertretern darüber. „Es ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung“, sagt Yusuf.

Nicht weit genug geht der Entwurf hingegen der ehemalige Außenministerin Edna Adan, die 1997 in der Hauptstadt Hargeisa ein Krankenhaus gegründet hat. „Vergewaltigung ist Vergewaltigung“, mahnt die einflussreiche 80-Jährige. „In dem Gesetzentwurf wird angenommen, dass sexuelle Gewalt nur Mädchen und Frauen, nicht aber Jungen und Männer trifft. Ich leite ein Krankenhaus. Und ich weiß, dass auch Jungen und Männer Opfer sind.“

Auch mit Genitalverstümmelung sind Edna Adan und ihr Team täglich konfrontiert. Noch immer sind 98 Prozent der Mädchen und Frauen in Somaliland beschnitten. Schon im Eingangsbereich des Edna Adan University Hospital hängen schwarz-weiße DIN-A4-Ausdrucke an den Säulen, auf denen „Stop FGM“ steht (Female Genital Mutilation). Doch nicht jede Patientin kann lesen.

„Es ist nicht ganz, was wir wollten“

Aber jede muss bei der Aufnahme einen Anamnesebogen ausfüllen, und wer nicht lesen kann, bekommt dabei Unterstützung. Ganz am Ende hat Edna Adan, die selbst ausgebildete Hebamme ist, Fragen zum Ankreuzen hinzugefügt: „Sind Sie beschnitten? Werden Sie Ihre Tochter beschneiden lassen?“ Das öffnet den Raum für ein Gespräch, meint sie. „Aber es wird noch ein weiter Weg sein“, sagt Adan.

Am 6. Februar, dem internationalen „Zero Tolerance Day“ gegen Genitalverstümmelung, sprach nun Somalilands Ministerium für religiöse Angelegenheiten eine Fatwa gegen FGM aus. „Es ist nicht ganz, was wir wollten. Einige Leute werden sich danach richten, andere nicht. Wir brauchen ein Gesetz, dass Genitalverstümmelung verbietet“, sagt Adan.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterscheidet drei Arten der weiblichen Genitalverstümmelung. Bei Typ 3 werden die Schamlippen und die Klitoris abgeschnitten und bis auf eine kleine Öffnung zugenäht; bei Typ 1 und 2 werden Teile der Klitoris und der Schamlippen abgeschnitten. Die Fatwa wurde nur gegen Typ 3 ausgesprochen.

Der Vorsitzende des somaliländischen Human Rights Center, Guleid Ahmed Jama, kritisiert die Entscheidung deutlich: „Die Erklärung des Ministeriums für religiöse Angelegenheiten unterläuft die jahrelangen Bemühungen, FGM zu verbieten. Das Ministerium will zwischen einer guten und einer verbotenen Form des FGM unterscheiden. Dabei ist jede Form von FGM eine Menschenrechtsverletzung. Wir sind von der Erklärung des Ministeriums geschockt und fordern den Präsidenten auf, sein Versprechen einzulösen und FGM per Gesetz vollständig zu verbieten.“

In Somaliland fehlen indessen die Strukturen, um Opfer von sexueller Gewalt und von FGM zu unterstützen. Doch sind die beiden neuen Initiativen wichtig. Tabuthemen werden nun diskutiert. Schon bei den Präsidentschaftswahlen im November hatten alle drei Kandidaten sich verpflichtet, im Falle eines Wahlsieges die Genitalverstümmelung gesetzlich zu verbieten. Die Auseinandersetzung hat gerade erst begonnen.

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