Gesetz gegen Zuglärm: „Flüsterbremse“ wird Pflicht

Ab 2020 dürfen in Deutschland nur noch Güterwaggons mit modernen Bremsen fahren, kündigt Minister Dobrindt an. Ein anderes Versprechen wackelt.

Nur halb so laut: Güterzug mit „Flüsterbremse“, die zu glatteren Rädern und damit zu weniger Lärm führt. Bild: dpa

BERLIN taz | Der Unterschied ist frappierend. Während ein klassischer Güterzug in 25 Metern Entfernung mit 88 Dezibel einen ohrenbetäubenden Lärm verursacht, klingt ein Zug mit modernen „Flüsterbremsen“ mit 78 Dezibel nur halb so laut. Wenn dann noch eine Lärmschutzwand dazwischensteht, sinkt der Geräuschpegel auf bis zu 59 Dezibel ab – was zwar nicht dem in Aussicht gestellten Flüstern entspricht, aber immerhin im Bereich von Zimmerlautstärke oder Meeresrauschen liegt.

Davon konnten sich am Dienstag auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Bahn-Chef Rüdiger Grube überzeugen, und zwar ganz ohne sich an eine Schiene zu stellen: Ein neuer Simulator, den das Berliner Heinrich-Hertz-Institut im Auftrag der Bahn entwickelt hat, demonstriert die Auswirkungen unterschiedlicher Lärmschutzmaßnahmen anhand von Messdaten und Berechnungen recht eindrücklich.

Damit die Menschen entlang der wichtigen Güterbahnstrecken weniger unter Lärm leiden müssen, sollen ab 2020 in Deutschland nur noch Züge mit solchen Flüsterbremsen unterwegs sein, die die Räder der Waggons im Gegensatz zu klassischen Graugussbremsen nicht aufrauen und dadurch das Fahrgeräusch deutlich reduzieren. Dieses Ziel hatten Union und SPD bereits im Koalitionsvertrag festgelegt.

Am Dienstag kündigte Dobrindt nun an, „in den nächsten Monaten“ ein entsprechendes Gesetz vorzulegen. „Wir setzen unser Versprechen um“, so der Minister. „Güterwagen, die nicht auf lärmmindernde Technik umgerüstet sind, werden ab 2020 das deutsche Netz nicht mehr befahren dürfen.“ Diese Vorgabe soll ausdrücklich auch für ausländische Betreiber gelten, die in Deutschland unterwegs sind. Die Befürchtung, dass die Europäische Kommission das Verbot als Wettbewerbshindernis betrachten könnte, teilt Dobrindt nicht. „Ich gehe davon aus, dass die EU unser Vorhaben positiv begleitet“, sagte er.

„Jede Nacht zählt“

Nicht ganz so ernst nimmt der Minister hingegen offenbar das Zwischenziel, dass 2016 bereits die Hälfte der Güterwagen umgerüstet sein soll. Falls das nicht erreicht wird, würden Nachtfahrverbote oder Geschwindigkeitsbegrenzungen umgesetzt, heißt es im Koalitionsvertrag. Dazu ging Dobrindt auf Distanz: „Ich werden keine Maßnahmen ergreifen, die zu einer Verlagerung von Verkehr auf die Straße führen“, sagte er.

Die Deutsche Bahn hat bisher 14.500 ihrer 60.000 Güterwaggons umgerüstet. Dass das 50-Prozent-Zwischenziel bis 2016 verfehlt werden könnte, begründete Bahn-Chef Grube damit, dass es für die neuen Bremsklötze nur zwei Hersteller gibt.

Dieses Argument kann Bernd Groß nicht nachvollziehen: „Das ist doch keine neue Technologie“, sagt der Sprecher der Bürgerinitiative „Pro Rheintal“ – in dieser vom Güterverkehr stark belasteten Region hören die Menschen den Bahnlärm nicht nur kurzzeitig im Simulator, sondern permanent. „Für die Menschen hier zählt jeder Tag und vor allem jede Nacht“, sagt er. Das Zwischenziel für 2016 dürfe darum keineswegs aufgegeben werden.

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