Gesetzentwurf des Finanzministeriums: Turbo-Börsenhandel gebremst

Der schnelle Computer-Börsenhandel bleibt erlaubt, soll aber eingeschränkt werden. Neue Pläne des Finanzministeriums sind umstritten.

Spekulationsobjekt für Maschinen. Bild: dapd

BERLIN taz | Er gilt als riskanter Beschleuniger der Finanzkrise: der superschnelle, vollautomatisierte Handel an den Börsen, bei dem Computer innerhalb von Sekundenbruchteilen Wertpapiere kaufen und sofort wieder abstoßen. Dieser sogenannte Hochfrequenzhandel kann irrationale Kursschwankungen auslösen oder verstärken, und er lädt zum Missbrauch ein.

Der SPD-Finanzexperte und Kanzlerkandidaten-Kandidat Peer Steinbrück fordert darum ein Verbot dieses Instruments und ist sich dabei mit Axel Troost von der Linken einig; Grünen-Experte Gerhard Schick plädiert dafür, dass Wertpapiere mindestens 30 Sekunden gehalten werden müssen - was faktisch ebenfalls auf ein Verbot hinausläuft. Und auch das EU-Parlament hat dem Computerhandel den Kampf angesagt und will an diesem Mittwoch im Wirtschaftsausschuss ein Gesetz auf den Weg bringen, das zumindest starke Restriktionen vorsieht.

Bei so viel Aktivität in Opposition und EU mag auch die Bundesregierung nicht abseits stehen. Ebenfalls an diesem Mittwoch will sie nach Angaben aus Regierungskreisen ein Gesetz verabschieden, mit dem der schnelle Computerhandel stärker reguliert werden soll.

Mehr aber auch nicht: Obwohl der Gesetzentwurf alle Nachteile des Hochfrequenzhandels zutreffend auflistet, stellt das Finanzministerium das Instrument nicht generell in Frage. Und auf das wirksamste Mittel gegen die Gefahren – ein Tempolimit in Form einer Mindest-Haltefrist für gekaufte Wertpapiere – verzichtet der Gesetzentwurf, der der taz vorliegt, komplett.

Vorgesehen ist hingegen eine Zulassungspflicht für alle Institutionen, die an deutschen Börsenplätzen am Hochfrequenzhandel teilnehmen. Zudem müssen sie alle von Computerprogrammen veranlassten Aufträge kennzeichnen und die dabei verwendeten Regeln, die sogenannten Algorithmen, gegenüber den Börsen offenlegen.

Mindest-Preisänderung

Zudem sieht das Gesetz zumindest theoretisch eine Reihe von Beschränkungen vor: So soll festgelegt werden können, dass ein bestimmter Anteil von Aufträgen auch tatsächlich zu Geschäften führen muss, denn mit vorgetäuschtem Kaufinteresse mit anschließender Stornierung lassen sich Kurse manipulieren. Außerdem soll eine Mindest-Preisänderung für Wertpapiere festgelegt werden, was Spekulationen mit minimalen Änderungen in hinteren Nachkommastellen verhindern würde.

Ob es tatsächlich zu wirksamen Beschränkungen kommt, ist aber offen. Denn das Gesetz macht keine konkreten Vorgaben, sondern überlässt die Festlegung der Mindestgrenze für Preisänderungen ebenso wie die Manipulationskontrolle den Börsen selbst - die an einer Beschränkung ihrer Geschäfte wenig Interesse haben dürften. Ob die Börsen, bei denen der Entwurf auf Zustimmung stieß, angemessen agieren, soll von der Finanzaufsicht Bafin überwacht werden.

Diese Vorschläge bleiben deutlich hinter den Forderungen des Europaparlaments zurück. Der dort diskutierte Entwurf, der im Fall einer Verabschiedung auch für Deutschland verbindlich wäre, sieht ähnliche Beschränkungen vor; allerdings sollen diese nicht von den Börsen, sondern direkt von der Aufsichtsbehörde EMSA erlassen werden. Und zur Entschleunigung ist dort eine Mindest-Haltefrist von einer halben Sekunde vorgesehen.

Bevor die Regelung auf EU-Ebene in Kraft treten kann, müssen neben dem Parlament auch die Mitgliedstaaten zustimmen. Und da - das ist die wahre Botschaft des Gesetzentwurfs aus Berlin - sind weitreichende Schritte mit Deutschland nicht zu machen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.