Giftschlamm aus finnischer Nickelgrube: Betreiber vor Gericht, Behörden nicht

Uranhaltige Schlämme aus dem Tagebau Talvivaara verseuchten 100 Quadratkilometer Boden und Gewässer in Ostfinnland. Wer war schuld?

Kranschiffe auf See

Nickellegierungen werden für Turbinen in besonders rostbeschleunigender Umgebung gebraucht: Aufbau eines Offshore-Windrads. Foto: Reuters

STOCKHOLM taz | Hunderttausende Kubikmeter stark schwermetall- und uranhaltigen Klärschlamms verseuchten 2012 und 2013 in Ostfinnland mehr als 100 Quadratkilometer Böden und Gewässer. Das Gift stammte aus dem Tagebau Talvivaara, der größten europäischen Nickelgrube.

In dieser Woche begann vor einem Gericht in Kajaani die juristische Aufarbeitung. Der auf zwei Monate terminierte Prozess ist das umfangreichste Gerichtsverfahren zu einem Umweltvergehen, das es in Finnland je gab.

Angeklagt sind vier leitende Manager des Unternehmens. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, gegen zahlreiche Umweltschutzbestimmungen verstoßen zu haben. Angefangen von der Planung des Grubenbetriebs bis zum Bau und dem Betrieb hätten sie in grober Weise geltendes Recht missachtet und dabei in Kauf genommen, dass es zu einem unkontrollierten Austritt schwermetall- und uranhaltiger Abwässer kommen konnte. Neben mehreren Millionen Euro an Schadenersatz drohen den Angeklagten auch monatelange Haftstrafen.

Die Nickelgewinnung in Talvivaara basiert auf sogenanntem Bioleaching. Bei diesem Verfahren wird das im Tagebau gewonnene Gestein aufgetürmt und mit Schwefelsäure besprüht. Dadurch bilden sich Bakterienkulturen, die Nickel und Zink herauslösen. Dabei entstehen riesige Mengen schwefel- und schwermetallhaltiger Abwässer, die aufgrund der Struktur des Gesteins in Talvivaara auch noch einen hohen Urangehalt haben. Auf dem 6.000 Hektar großen Gelände lagerten bis zu zehn Millionen Kubikmeter davon in großen, offenen Becken.

Riesige Industriekatastrophe

Doch diese Klärbecken waren weder auf die Substanz noch auf die Menge ausgerichtet. Und größere Niederschlagsmengen wie bei der jährlichen Schneeschmelze hatte man überhaupt nicht einkalkuliert. 2012 brachen die Dämme, und 800 Millionen Liter der giftigen Brühe ergossen sich in die Natur.

Der damalige finnische Wirtschaftsminister Jan Vapaavuori sprach von „einer der größten Industriekatastrophen unserer Zeit“. Sein Umweltkollege Ville Niinistö warf den Betreibern vor, die Menschen in dem betroffenen Gebiet zu „Versuchskaninchen“ gemacht zu haben.

Ein 2013 veröffentlichter Untersuchungsbericht kam zu dem Schluss, dass es den Behörden an der erforderlichen Kompetenz und an Ressourcen gefehlt habe, ihren Aufgaben nachzukommen. Die Grube war jedoch politisch gewollt gewesen, weil sie neue Arbeitsplätze für das strukturschwache Gebiet versprach.

Immer neue Abwässer

Doch diese Verantwortlichen aus Verwaltung und Politik stehen nicht vor Gericht. Die Anwälte der Angeklagten dürften ihre Verteidigungsstrategie darauf aufbauen, dass der Betrieb des Tagebaus behördlich genehmigt war.

Talvivaara ging im vergangenen Jahr pleite, wird aber vom Staat über Wasser gehalten. Der Bioleaching-Prozess kann nicht einfach gestoppt werden und setzt weiterhin ständig sulfat-, mangan- und natriumhaltige Abwässer frei.

Weil die Klärbecken voll sind, gaben die Behörden mehrmals die Erlaubnis, die Brühe „kontrolliert“ in umliegende Gewässer zu leiten – in diesem Jahr insgesamt schon fünf Millionen Kubikmeter. Die Folge: Viele AnwohnerInnen können ihre Brunnen nicht mehr benutzen und müssen per Tankwagen mit Wasser versorgt werden. Künftig sollen die giftigen Schlämme in den nahen Nuasjärvi-See geleitet werden, eine entsprechende Pipeline soll im September fertig sein – auch wenn sich die Lokalbevölkerung vehement gegen die Inbetriebnahme wehrt.

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