Golfturnier US Masters: Fiebrige Erwartung von Tiger Woods

Man will wieder Großes sehen vom einst besten Golfer der Welt: Tiger Woods schwingt beim US Masters in Augusta den Schläger.

Ein Golfspieler in weißer Kleidung steht in einem Sandloch mitten in einer grünen Wiese und schlägt einen Ball ab

Tiger Woods, aktuell noch auf Position 103 der Weltrangliste, ist wieder in Form gekommen Foto: ap

Am 6. Oktober 1978, also vor fast 40 Jahren, kam mit trippelnden kleinen Schritten ein Zweieinhalbjähriger in die Fernsehshow des großen Entertainers Bob Hope gewackelt, keck eine kleine Golftasche über den Schultern. Tiger Woods heiße er, sagte sein Vater Earl. Der Mini-Tiger mit den Knopfaugen puttete und drosch einen Ball in die Studiodekoration. Das Publikum johlte. Wie niedlich.

Der als Zirkuspferdchen missbrauchte Knirps wurde zum Dominator seiner Sportart. Mit 21 gewann er als jüngster Sieger aller Zeiten das Golfturnier aller Golfturniere, das Masters in Augusta – zudem mit unerreichten 12 Schlägen Vorsprung. Über eine Dekade beherrschte er das Weltgolf wie niemand zuvor. Bis 2008, mit gerade 33, hatte Woods bei 14 Majors triumphiert – nur eine Frage der Zeit, wann er die 18 von Jack Nicklaus übertrumpfen würde. Tiger Woods war der bestverdienende Sportler aller Zeiten, Forbes schätzte sein Vermögen auf über eine Milliarde US-Dollar.

Der Absturz kam im November 2009. Ehefrau Elin zertrümmerte, rasend vor Wut, die Heckscheibe von Tigers Cadillac Escalade, stilsicher mit einem Golfschläger, angeblich Eisen 9. Der Gatte hatte mehr Affären als Majortitel gesammelt. Die Scheidung folgte – und eine Therapie gegen Sexsucht, Medikamenten- und Alkoholmissbrauch. Längst sprach man vom „Tigergate“. Seit 2013 hatte er dann vier Operationen an der Wirbelsäule. Man erwartete längst den Schlussstrich unter den Leistungssport.

Aber jetzt ist er wieder da, als Jungsenior mit 42. Es ist nicht der erste Comeback-Versuch. Aber diesmal scheint es ihm nachhaltig ernst zu sein. Der rückenrenovierte Mann spielt seit Dezember wieder wettkampfhartes Golf. In der Weltrangliste war Woods Richtung unauffindbar abgefallen (genauer: auf Rang 674), mittlerweile ist er nach einem 12. Platz, einem fünften und zweiten wieder auf 103 gelistet. Das letzte Turnier gewann er 2013. Fast wäre es im März wieder so weit gewesen, ein Schlag fehlte. „Wow, was für eine aufregende Woche“, twitterte der Golfjunkie, „die Leute, die Atmosphäre, das Adrenalin. Mann, wie habe ich das vermisst. Es wird immer besser.“

Von einem Hauch Magie umweht

Und schon ist er einer der Favoriten fürs 82. Masters in Augusta/Georgia, das heute startet, zusammen mit Landsmann Justin Thomas und dem Nordiren Rory McIlroy. „Bei Tiger genügen ein paar gute Löcher in der Vorwoche und der Wettmarkt ist komplett auf den Kopf gestellt“, sagt ein Buchmacher, „wäre Tiger eine Aktie, hieße es jetzt: All in.“ Sports Illustrated schreibt: „Es gibt zwei Arten von Golfern auf der Welt: Tiger und der Rest.“

Keiner fing früher an. Mit einem halben Jahr bekam er einen abgesägten Putter geschenkt, den er fortan, so der vom Ehrgeiz zerfressene Vater, immer bei sich haben wollte. Mit anderthalb wankte er, belegen Fotos, dick in Windeln gepackt über die Grüns. Mit drei Jahren spielte er eine 48 auf einem Neunlochplatz.

Nick Faldo über Tiger Woods

Ich fühlte mich von einem Güterzug an Aura umgeben

Augusta sei „der schönste Golfplatz der Welt“, sagt Woods, „wie der Himmel auf Erden“. Augusta ist für ihn so etwas, wie es Wimbledons Centre Court für Boris Becker war. Vier Mal hat sich Woods hier das grüne Siegersakko abgeholt, zuletzt 2005. USA Today zählte jetzt auf, was seitdem an Nebensächlichkeiten so passierte: 16 Grand-Slam-Titel Serena Williams’, 603 Tore von Lionel Messi, 27.161 Punkte von LeBron James, 1,2 Milliarden verkaufte iPhones. Jetzt ist das hysterische Gebrüll wieder da, wenn Woods auftaucht und seine typische Faust reckt, wenn er spektakulär locht (neulich mal wieder aus 21 Metern). Das tun auch andere, aber bei Tiger Woods ist es von einem Hauch Magie umweht. Die TV-Anstalten jubeln über die neue Tiger-Mania: Spielt Woods mit, explodiert das Golfinteresse.

Als Woods am Montag die Anlage in Augusta erstmals nach drei Jahren Verletzungspause für einige Übungsschläge betrat, fühlte sich Ex-Champion Nick Faldo von „einem Güterzug an Aura“ umgeben. Tausende jubelten, kreischten, feierten jeden Probeschwung. Fehlte nur, dass der Himmel rhythmische Blitze geschickt hätte, schrieb ein Kommentator.

Gekommen, um zu gewinnen

Andere Golfthemen interessieren in diesen Tagen in Amerika nur am Rande: Dass sich Donald Trump der 1.000-Stunden-Marke nähert, die er als Präsident bislang auf Golfplätzen verbracht hat (Steuerzahlerkosten für Flüge und Security: 62,6 Millionen US-Dollar) – das ist unangefochten Weltranglistenplatz 1 für Staatschefs (siehe trumpgolfcount.com). Oder Dustin Johnson, der Golfkollege an der Spitze der Rangliste. Der schaffte im März einen neuen Weltrekord: ein Abschlag von 447 Metern. Ein guter Amateur freut sich über 447 Meter mit zwei Schlägen.

Woods’ Körper war ruiniert. 2015 hatte die achtjährige Tochter Sam Alexis ihren Papa Tiger einmal bewegungsunfähig auf dem Rücken liegend neben der Driving Range vorgefunden. Noch vor einem Jahr, erzählte Woods jetzt, habe er kaum sitzen können, nicht ohne Hilfe das Bett verlassen, „die Nerven brannten wie Feuer“. Er pumpte sich mit Schmerzmitteln und Cortison voll. Es war die Zeit, als ihn die Polizei in Florida desorientiert am Steuer erwischte und verhaftete. Jetzt fühle er sich wie ein „walking miracle“; ein Laufwunder.

Das Publikum nimmt den gefallenen Helden noch fiebriger wahr als früher. Der Gefallene nach hartem Kampf wieder oben und deutlich zugewandter als früher: Das lieben die US-Amerikaner noch mehr als überwältigende Leistung. Da ist auch wieder das leuchtend rote Sonntagsshirt, das den Gegnern vor der Schlussrunde immer signalisierte: Hier kommt der Gewinner, ihr könnt das Golfbesteck genauso gut beiseite legen. Jahrelang galt das statistisch belegte Phänomen, wonach alle Turnierteilnehmer im Schnitt signifikant schlechter agierten, wenn Woods dabei war – und zwar einen halben Schlag pro Runde. Das ist wirklich viel. Tigers Aura, der Respekt, Verkrampfung? Und jetzt?

Als Woods vor drei Wochen mit Siegchancen auf die Schlussrunde ging, brach das Live-Streaming für eine halbe Stunde zusammen. „Wenn sie in Augusta“, schrieb ein Kommentator, „ein Kamerateam nur für Tigers Übungsrunde einrichten würden, schon das wäre derzeit der meistgesehene Fernsehkanal im Sport.“ Der Auferstandene selbst sagt: „Ich bin gekommen, um zu gewinnen.“ Allerdings spielen noch 86 andere mit.

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