Gouverneurswahlen in Nigeria: Ertränkt? Nicht die feine Art

Nach den Präsidentenwahlen werden nun die Gouverneure neu gewählt. Ein Blick hinter die Kulissen der intriganten Politik der größten Stadt: Lagos.

Von der einen Wahl zur nächsten: Plakate in Lagos. Bild: reuters

LAGOS taz | Als Nigerias Wahlkommission am 1. April den bisherigen Oppositionsführer Muhammadu Buhari zum neu gewählten Staatspräsidenten ausrief, schien es, als sei Nigerias Wahl erfolgreich abgeschlossen. Aber das stimmt nicht. Zwar hatte der scheidende Präsident Goodluck Jonathan seine Niederlage eingestanden – aber es dauerte nur wenige Tage, bevor Jonathans Partei PDP (People’s Democratic Party) sich wieder berappelte und an den nächsten Wahltermin erinnerte, den 11. April, wenn die Regierungen der 36 Bundesstaaten neu gewählt werden.

Man habe jetzt „süßere“ Ziele als das Präsidentenamt, erklärte PDP-Sprecher Olisa Metuh. „Es wird nichts Süßeres geben, als Lagos zu gewinnen, unseren Bundesstaat Rivers und Imo.“

Rivers im ölreichen Niger-Flussdelta mit der Hauptstadt Port Harcourt war bisher schon PDP-Hochburg, aber der bisherige Gouverneur war zu Buhari übergewechselt und war dessen Wahlkampfleiter geworden. Ihn abzusägen und den Staat für die PDP zu behalten wäre eine späte Revanche. Aber viel wichtiger wäre ein PDP-Sieg in Lagos, das Nervenzentrum und die größte und reichste Stadt Nigerias. Lagos stimmte bei der Präsidentschaftswahl 2011 noch für Jonathan, diesmal aber für Buhari – für die PDP ist der Versuch verlockend, jetzt zurückzuschlagen.

Im Bundesstaat Lagos kandidiert Jimi Agbaje für die PDP gegen Akinwunmi Ambode von Buharis APC (All Progressives Congress). Wie so vieles in Nigerias Politik derzeit ist dies ein Drama der Hassliebe. Denn Agbaje und Ambode kommen ursprünglich aus demselben politischen Lager, Zöglinge des ersten Gouverneurs von Lagos nach dem Ende der Militärdiktatur, Bola Tinubu, der bis heute die Strippen in der Politik der Megalopole zieht und Buharis APC mitaufgebaut und finanziert hat.

Die Stärke des Apparats

Vor knapp einem Jahrzehnt waren Tinubu und Agbaje Freunde in einer Partei namens Action Congress. Tinubus Amtszeit als Gouverneur näherte sich dem Ende, Agbaje wollte sein Nachfolger werden. Tinubu zog seinen Stabschef Babatunde Fashola vor. Da Tinubu den Action Congress finanzierte, war sein Wort Gesetz. Gegenkandidaten durften sich andere Parteien suchen. Agbaje wechselte zur DPA (Democratic People’s Alliance) und verlor 2007 die Gouverneurswahlen gegen Fashola.

2011 wurde Fashola wiedergewählt, Agbaje trat gar nicht erst an. Jetzt kann Fashola nicht mehr antreten, seine zwei gewählten Amtszeiten gehen zu Ende, und Agbaje wittert eine neue Chance gegen Fasholas designierten Nachfolger Ambode, ein neues Gesicht in der Politik, zuvor sechs Jahre lang Chefbuchhalter des Gouverneurs. Der Action Congress ist mittlerweile im APC aufgegangen, Agbaje ist nach dem Ende der DPA zur PDP gewechselt, in der Hoffnung auf die Stärke des Apparats einer Partei, die Nigeria immerhin 16 Jahre lang unangefochten regiert hat.

Aber solange der alte Bola Tinubu immer noch Boss in Lagos ist, kann man nur mit ihm gewinnen, nicht gegen ihn. Ambode ist Tinubus Mann, der APC ist Tinubus Partei und hat ohnehin Rückenwind. In der PDP ist Agbaje hingegen nicht unumstritten. Er setzte sich in der parteiinternen Vorwahl gegen Musilius Obanikoro durch, damals Staatssekretär im Verteidigungsministerium und dadurch mächtig und reich. Obanikoro ist so mächtig, dass er nach dieser Niederlage trotzdem Staatsminister im Außenministerium wurde.

So scheint klar: Am Samstag wird der APC Lagos halten, und Ambode wird Gouverneur. Mit seinen Versuchen, Lagos in eine moderne Weltstadt zu verwandeln, trat Fashola zwar in seinen acht Jahren als Gouverneur auf viele Zehen, vor allem die von Straßenhändlern, Auto- und Motorradfahrern und anderen, die sich ungern an Regeln halten. Aber im Allgemeinen sind die Leute mit Fasholas Bilanz und der des APC zufrieden.

Politik funktioniert entlang ethnischer Linien

Doch seit Ostern ist das nicht mehr so klar wie vorher. Denn am Ostersonntag drohte der mächtigste traditionelle König in Lagos, Rilwan Akiolu, dass die zahlreichen ostnigerianischen Migranten aus dem Igbo-Volk in Lagos besser nicht gegen Ambode stimmen sollten, sonst würden sie „innerhalb von sieben Tagen in der Lagune sterben“.

Die Igbo gelten landesweit als Stütze der PDP – Nigerias Politik funktioniert weitgehend entlang ethnischer Linien. Die Igbo, so der traditionelle König („Oba“) aus dem in Lagos dominierenden Volk der Yoruba, sollten froh sein, dass man sie dulde, und sich nicht undankbar zeigen.

Die Bemerkung des Königs – der inzwischen hat erklären lassen, er wolle nur gesagt haben, dass traditionell jeder in der Lagune ertrinkt, der das friedliche Zusammenleben in Lagos stört – wird die Igbo nicht daran hindern, Agbaje zu wählen, und sie wird Ambode wohl nicht den Sieg kosten. Aber sie hat unnötige Anspannung in einen ruhigen Wahlkampf gebracht. Der APC reagierte peinlich berührt: „Seine königliche Hoheit ist frei, für sich selbst zu sprechen, und er sprach nur für sich selbst.“

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