Grenzkonflikt in Norddeutschland: Wedel verklagt Hamburg

Altona weist an der Landesgrenze ein reines Wohngebiet aus – obwohl die Nachbarstadt direkt daneben einen Business Park plant. Früher stand hier eine Raffinerie.

Hier sieht Wedel seine Zukunft: Business Park am Elbufer. Bild: Masterplan/Stadt Wedel

HAMBURG taz | Altona hat Wedel ausgebootet. Die Bezirksversammlung nutzte die Gunst der Stunde, einen Bebauungsplan zu verabschieden, der keine Rücksicht auf die Belange der Nachbarstadt nimmt. Deshalb will das kleine Wedel jetzt das große Hamburg vor dem hamburgischen Oberverwaltungsgericht verklagen. „Wir sehen uns durch den Bebauungsplan in unseren wichtigsten wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten stranguliert“, sagt der Wedeler Bürgermeister Niels Schmidt (parteilos).

Der Grund für den Streit liegt darin, dass die beiden Städte zwei inkompatible Planungsgebiete Seit’ an Seit’ ausweisen wollen: Wedel ein Gewerbegebiet, der Bezirk Altona ein reines Wohngebiet. „Die beiden Gebiete dürfen nicht nebeneinander ausgewiesen werden“, sagt Michael Schernikau (CDU), der Vorsitzende des Planungsausschusses Wedel. Sie seien zu verschieden.

In der Tat prallen mit den beiden Bebauungsplänen Welten aufeinander. Altona möchte die Rissener Feldmark schützen: viel offene Landschaft mit Pferdehöfen und Einzelhaussiedlungen. Hinter einer Baumreihe und einem 15 bis 30 Meter breiten Grünstreifen würde das Wedeler Gewerbegebiet beginnen: zwölf Meter hohe Hallen für Produktion, Lagerei und Dienstleistungen, dazu vereinzelte Bürohochhäuser. „Das ist subjektiv eine Mauer“, sagt Olaf Wuttke, Fraktionschef der Wedeler Grünen.

Bis Ende der 1990er-Jahre stand auf dem Gelände des geplanten Business Parks eine Mobil-Oil-Raffinerie. Die Wedeler sanierten das Gelände und machten sich daran, einen neuen Bebauungsplan für das ehemalige Industriegebiet aufzustellen. Sie wurden von Hamburg überholt, das die Rissener Feldmark flugs zum reinen Wohngebiet erklärten: Damit solle naturnahes Wohnen und Landschaft geschützt werden.

Wedel möchte auf dem brach liegenden Gelände der ehemaligen Mobil-Oil-Raffinerie neben dem Kohlekraftwerk ein Gewerbegebiet einrichten.

Der Bebauungsplan Wedel 88 soll das ermöglichen. Er ist noch in Arbeit. Ihm steht der Altonaer Bebauungsplan Rissen 11 entgegen, der bereits beschlossen ist, und ein reines Wohngebiet vorsieht.

Der Business Park soll einmal rund 3.000 Menschen Arbeit bieten. Das Gelände ist 18 Hektar groß.

Mit einer Normenkontrollklage, die gerade vorbereitet wird, will die Stadt Wedel gegen den Altonaer Bebauungsplan vorgehen.

Das Wedeler Gewerbegebiet könnte die Umgebung mit der Massivität seiner Bebauung und seiner Lärmemissionen beeinträchtigen, was Nachbarn Anlass zur Klage geben könnte.

Der Wedeler Ausschussvorsitzende Schernikau findet das Altonaer Vorgehen unfair. „Wir haben nicht irgendein Biotop überplant“, sagt er, „sondern eine der größten Industriebrachen Europas.“ Altona habe den Konflikt in Kauf genommen.

Altona beruft sich seinerseits auf altes Planrecht. Schon im Baustufenplan von 1955 sei das Wohngebiet Leuchtfeuerstieg „besonders geschützt“ gewesen. Erst später sei das lärmende Kohlekraftwerk Wedel errichtet worden. Dass dazwischen seit 50 Jahren die Erdölraffinerie lag, erwähnen die Altonaer nur unter ferner liefen. Der Leuchtfeuerstieg ist eine Kette einzelner Häuser entlang des Elbufers.

Mehrfach habe es Versuche gegeben, sich politisch zu einigen, bestätigt Fraktionschef der in Altona Ton angebenden SPD, Thomas Adrian. Für ihn wäre es eine Lösung gewesen, nur nicht störendes Gewerbe an der Landesgrenze zuzulassen. Altona hatte zudem einen 50 Meter breiten Grünstreifen zur Trennung vorgeschlagen. Die Wedeler Grünen könnten sich als Kompromiss eine niedrigere Bebauung an der Landesgrenze vorstellen.

Doch die Mehrheit des Wedeler Rats hält die Vorschläge für inakzeptabel, weil sie das Gewerbegebiet beinträchtigen und damit die erhofften Einnahmen der Stadt drücken würden. „Zur Wahrung seiner Rechtsposition“ bleibe Wedel kein anderer Weg als der der Klage, sagt Schmidt. Andernfalls hätte sich die Stadt mit Blick auf mögliche Klagen aus Hamburg in eine schwache Position manövriert.

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