Größte Agrardemo Deutschlands: Konzerne versus Bauernhöfe

Am Samstag wollen in Berlin Tausende Menschen gegen „die Agrarindustrie“ demonstrieren – einige wenige auch für sie.

Kühe stehen auf einer Weide

Diese Kühe haben zumindest das Stroh nicht satt Foto: dpa

BERLIN taz | Fleischarbeiter werden ausgebeutet, Bauernhöfe schließen, Konzerne weiten ihren Einfluss aus – wenige Tage vor der Berliner Demonstration für eine Agrarwende haben die Veranstalter Missstände in der Nahrungsmittelproduktion kritisiert. Die Organisatoren erwarten wie in den vergangenen Jahren am Samstag mindestens 10.000 Menschen zu der wichtigsten Kundgebung ihrer Art, Motto: „Wir haben Agrarindustrie satt!“

Die meisten großen Schlachtkonzerne würden mehr als die Hälfte ihrer Belegschaft über Subunternehmer und Werkverträge beschäftigen, sagte Matthias Brümmer, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung, Genussmittel und Gaststätten in der Region Oldenburg/Ostfriesland. Das verschaffe „unglaubliche Kostenvorteile“, weil die meist aus Ost- und Südosteuropa stammenden Arbeiter zu schlechteren Konditionen beschäftigt würden. Viele bekämen weniger als den Mindestlohn ausgezahlt, indem ihnen etwa Kosten für die Unterkunft abgezogen würden.

„Dieses unheilige, asoziale wirtschaftliche Erfolgsmodell spiegelt sich mittlerweile auch in anderen Branchen wider“, kritisiert Brümmer. Sogar die Biobranche erhöhe den Kostendruck. Der Ökohersteller Allos etwa verlagere die Produktion in Betriebe außerhalb des Konzerns und entlasse dafür Mitarbeiter. Hier ist aber nicht von Werkverträgen die Rede. Ulrich Jasper, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, warf Agrarminister Christian Schmidt vor, kein Konzept gegen die ökonomische Krise der Bauern zu haben.

Seit dem Amtsantritt des CSU-Politikers vor fast drei Jahren hätten rund zehn Prozent der Milchviehbetriebe und der Schweinehalter in Deutschland aufgegeben. „Schmidt hat nichts dagegen getan“, sagte Jasper. Der CSUler sei einer „der schwächsten Landwirt­schaftsminister der letzten Jahrzehnte“. Die Demo-Veranstalter fordern von ihm etwa, Agrarsubventionen in eine „bäuerlich-ökologischere Landwirtschaft“ umzuschichten.

„Die ‚richtigen‘ Bäuerinnen und Bauern“

Wie in den vergangenen zwei Jahren wird zur gleichen Zeit in Berlin auch dieses Mal eine Gegendemonstration von vor allem konventionellen Landwirten stattfinden. „Wir machen Euch satt!“, lautet ihr Slogan. Dort würden „die ‚richtigen‘ Bäuerinnen und Bauern“ sein, kündigten die Organisatoren an, die mit 1.500 Teilnehmern rechnen. Die Agrarindustrie bezeichnen sie nicht als Gegner, sondern als Partner. Den „Wir haben es satt“-Leuten dagegen werfen sie vor, den Protest gegen Stallneubauten von Landwirten zu unterstützen. Für die Demo wirbt auch der Bauern­verband, der auf der anderen Kundgebung heftig angegangen wird.

„Wir haben es satt“-Organisator Jochen Fritz erklärte, man sei nicht gegen Stallneubauten allgemein, sondern nur beispielsweise gegen 56.000 Schweine an einem Ort – also Anlagen, die zu groß seien, um später tierschutzfreundlicher umgebaut zu werden. Fast die Hälfte der Traktoren in dem Demonstrationszug seien von konventionellen Betrieben gekommen.

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