Gus Van Sants "Restless": Weich und wattiert

Gus Van Sant hat mit "Gerry", "Elephant" und "Last Days" eine großartige Todes-Trilogie gedreht. Sein neuer Film "Restless" ist dagegen vor allem eins: nett.

Es könnte so einfach sein, ist es aber nicht. Stattdessen: schmerzhafte Sehnsucht nach embryonalem An-sich-Sein und Tumor im Kopf. Bild: sony

Die Affinität zum Tod, sie gehört zum großen Drama der Jugend wie der Pickelstift. Dazu ein lustvoller Weltschmerz und ein virtuos ausgespieltes Martyrium in der Zwangsgemeinschaft mit den eigenen Erzeugern. Wesen, die der adoleszente Geist nur als fremdbestimmte Zombies wahrnehmen kann. Um selbst diesem untoten Lebenswandel zu entkommen, liegt es nahe, gleich das richtige, mausetote, schwarze Nichts zu bevorzugen.

Wenn sich der Jüngling Enoch (Henry Hopper) in "Restless" im Rimbaud-Aufzug von einer fremden Trauerfeier zur nächsten schummelt, zieht er eigentlich nur parasitär durch, was vom bleichgeschminkten Gothik bis zur Weltverleugnung des Neo-Folk Programm ist. Eine kokette Nähe zum Tod und das infantile Baden in der Zerknirschtheit der anderen. Um mit diesem morbiden Tick nicht allein zu sein, fantasiert Enoch sich den Geist eines Kamikazefliegers herbei, der ihn geduldig in allen Lebenslagen berät und ihn beim Schiffe-Versenken regelmäßig besiegt.

Beerdigungs-Hopping

Das wäre alles nur skurril und harmlos, hätte es nicht einen traumatischen Kern. Denn Enoch weiß, wie sich das Sterben anfühlt. Bei einem Autounfall kamen seine Eltern ums Leben, er selbst verschwand in ein mehrwöchiges Koma. Eine schmerzhafte Sehnsucht nach diesem embryonalen An-sich-Sein und den einfach weggeknipsten Eltern treibt ihn seither um und irgendwann, beim Beerdigungs-Hopping, in die Arme von Annabel (Mia Wasikowska). Ein Mädchen mit Jean-Seberg-Haarschnitt in viel zu großen Vintage-Mänteln und viel zu gut gelaunt, als dass es sterben sollte. Doch in Annabels Kopf macht sich ein Tumor breit und zieht den ganzen hüpfenden Spaß mit dem Tod dann doch ins Erdenschwere.

Bis hierhin ist "Restless" eine nette schwarze Liebeskomödie, die das Unausweichliche in die Romantik Frischverliebter integriert. Ein hübscher Film mit charmanter Besetzung, einer bis in die Haarsträhnen durchchoreografierten Ausstattung und einem Soundtrack, der den Weg ins Nirwana mit Gitarren und pubertärem Songwriting frei schrammelt. Da nehmen sich die beiden Protagonisten an die Hände und die Kulisse führt sie nostalgisch durch die Dachkammer der Filmgeschichte. An Jules-et-Jim-Brücken vorbei, zu "Love Story" und "Harold and Maude", dazu kommen ein bisschen japanisches Kriegsmelodrama und ein paar Wald- und Gespenster-Szenen, wie man sie aus Kurosawas Samurai-Filmen kennt. Alles ganz nett. Wäre da nicht der Regisseurname - Gus van Sant -, weswegen man sich einfach nicht damit abfinden mag, einen Film gesehen zu haben, den man schon bald wieder vergessen haben wird.

Kein Sinn im Leid

Dabei müssten wir diese Abstecher ins Effektorientierte und Konventionelle von ihm längst gewöhnt sein. Nach der Portland-Trilogie ("Mala Noche", "Drugstore Cowboy", "My Own Private Idaho") wandte er sich den Studios zu ("Finding Forrester") und verhalf Matt Damon und Ben Affleck mit dem Hochbegabten-Drama "Good Will Hunting" gar zu einem Drehbuch-Oscar. Auch "Milk", ein Denkmal für den schwulen Aktivisten Harvey Milk, hat Sean Penn nicht gerade geschadet und mit acht Oscar-Nominierungen ein breit gefächertes Publikum zufriedengestellt.

Nach seinem stil- und wegweisendem Dreier über das Sterben ("Gerry", "Elephant", "Last Days") und dem so kunst- wie unheilvoll schwebenden Skaterdrama "Paranoid Park" hätte man sich dennoch eine andere Vermählung mit dem Mainstream als "Restless" vorstellen können. Eine, in der die Metaphysik des Sterbens ein wolkiges Ungefähr bleibt und sich nicht wie hier im Nostalgiebüdchen verbarrikadiert. Denn eigentlich misstraut Van Sant all den psychologischen, soziologischen oder kulturellen Erklärungsversuchen zutiefst und verweigert sich den großen Erzählung vom tieferliegenden Sinn im menschlichen Leid.

Lieber zerlegt er Räume und taucht nach ihrem labyrinthischen Kern. Er hält die Zeit an, wiederholt Szenen aus unterschiedlichen Perspektiven und schafft mit diesem kubistischen Blick eine Wirklichkeit mit doppelten Rändern. Eine Wirklichkeit, die so überrealistisch ist, dass man nach dem Kino noch eine Weile in den flirrenden Konturen des eigenen Lebens verloren geht. Das ist das Kino des Gus Van Sant. Mit "Restless" hat es nichts zu tun.

"Restless". Regie: Gus Van Sant. Mit Henry Hopper, Mia Wasikowska u. a. USA/Großbritannien 2011, 91 Min.
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