Gutachten über BND-Spionagebefugnisse: Inland? Ausland? Vollschland!

Mit einem Gutachten befeuert der Chaos Computer Club die Debatte um die Befugnisse des Geheimdienstes. Im Fokus: die Nationalität von Daten.

Hinter einer Fensterscheibe steht ein Schild des Bundesnachrichtendienstes

Nicht gläsern: der Bundesnachrichtendienst Foto: dpa

BERLIN taz | Neuer Zank ums BND-Gesetz: Mit einem Sachverständigengutachten für den NSA-Untersuchungsausschuss haben Experten erneut Zweifel an den Rechtsbefugnissen des Bundesnachrichtendienstes geweckt. In der 14-seitigen Studie, die hier (.pdf) einzusehen ist, stellen die AutorInnen die Zwickmühle dar, die sich für die strategische Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes ergibt.

In dem Gutachten weisen die AutorInnen Kay Rechthien, Frank Rieger und Constanze Kurz vom Chaos Computer Club (CCC) darauf hin, dass es bei Abfang und Auswertung von Daten nicht möglich ist, zwischen sogenannten inländischen und ausländischen Datenverkehren zu unterscheiden, ohne detailliert Inhalte der Kommunikation zu analysieren. Diese Unterscheidung ist für den Bundesnachrichtendienst aber wichtig.

Für den deutschen Auslandsgeheimdienst sind innerdeutsche Ermittlungen sowie die Kommunikation deutscher Bürgerinnen und Bürger eigentlich tabu. Bei der Ausforschung digitaler Kommunikation muss der Dienst die Kommunikation deutscher BürgerInnen eigentlich ausfiltern. Die Behörde behauptet, das zu können. Experten bezweifeln das jedoch seit langem. Mit dieser Frage beschäftigt sich derzeit sowohl der NSA-Untersuchungsausschuss im Bundestag als auch die Behörde selbst.

Mit einem neuen BND-Gesetz soll der Auslandsgeheimdienst daher künftg erweiterte Befugnisse erhalten und sich unter anderem am Frankfurter Internetknotenpunkt Decix noch ausführlicher bedienen können als bislang. Über diesen Knotenpunkt läuft ein großer Teil der weltweiten Internetkommunikation.

Laut Gesetzgeber sollen bestimmte Maßnahmen sicherstellen, dass die Grundrechte deutscher Bürger dabei nicht beeinträchtigt werden. Das Gutachten stellt nun im Prinzip in Frage, dass das technisch überhaupt möglich ist, weil der Schutz der Kommunikationsinhalte deutscher Bürger erst durch eine Analyse ihrer Kommunikationsinhalte ermöglicht werde.

Die Veröffentlichung attestiert, dass aufgrund der Struktur heutiger Netze eine sichere Zuordnung der geographischen Herkunft von abgehörten Daten ohne eine detaillierte Inhaltsauswertung nicht möglich sei. So werde etwa der Weg von Datenpaketen spontan und dynamisch bestimmt und könne sich jederzeit ändern. „Erst recht lässt sich nicht erkennen, ob die übermittelten Inhalte von deutschen Grundrechtsträgern oder von zum Belauschen freigegebenen Ausländern stammen.“

Wirklich neu ist diese Kritik an der Praxis des Bundesnachrichtendienstes nicht. Politisch bedeutend ist sie jedoch, da CDU, CSU und SPD derzeit planen, die Befugnisse des Bundesnachrichtendienstes auszuweiten. Gegner der derzeit diskutierten BND-Reform nahmen das Gutachten am Freitag zum Anlass, erneut auf die Gefahren der anstehenden BND-Reform hinzuweisen, die am 21. Oktober im Bundestag beschlossen werden soll.

Markus Beckedahl, netzpolitik.org

„Das kommende BND-Gesetz ist ein Gesetz, wovon die NSA träumt“

Markus Beckedahl, Gründer der Online-Plattform netzpolitik.org, die am Freitag in Berlin mit einer netzpolitischen Konferenz ihren 12. Geburtstag feierte, sagte zum Auftakt der Konferenz: „Das kommende BND-Gesetz ist ein Gesetz, wovon die NSA träumt, weil es an den Knotenpunkten des Netzes viel mehr Überwachung legal ermöglicht.“

Kritik an der geplanten BND-Reform formulierte auch die Journalistenvereinigung Reporter ohne Grenzen. Ihr Geschäftsführer Christian Mihr sagte: „Die Abgeordneten des Bundestages müssen erkennen, dass dieses Gesetz die Grundrechte der Bürger verletzen wird. Es zu verabschieden, ist ein offener Bruch mit unserer Verfassung.“ Die Organisation kritisiert unter anderem, dass die Reform dem Bundesnachrichtendienst künftig die Überwachung ausländischer Journalisten ermöglichen würde.

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