Haft für Pakistans Premier angeordnet: Prediger droht mit Revolution

Das Oberste Gericht möchte den Regierungschef wegen Korruption in Haft nehmen. Zuvor hatte der Prediger Tahirul Qadri der Regierung ein Ultimatum gestellt.

Mit einer Straßensperre versucht die Polizei in Islamabad die Unterstützer von Tahir ul-Qadri zurückzuhalten. Bild: dapd

BANGKOK taz | Mit dem Haftbefehl für Premierminister Raja Pervez Ashraf droht Pakistan nur wenige Monate vor den nächsten Wahlen in politisches Chaos abzudriften. Das Oberste Gericht des Landes hat am Dienstag die Festnahme von Ashraf und 15 weiteren Personen binnen 24 Stunden angeordnet.

Der Politiker soll 2010 als Minister für Wasser und Energie Schmiergelder entgegengenommen und im Gegenzug bestimmte Energieprojekte genehmigt haben. Er selbst bestreitet die Anschuldigungen.

Zwar verliert Ashraf damit nicht automatisch sein Amt. Der Haftbefehl könnte aber den Machtkampf zwischen Regierung, Armee und Justiz erneut voll entfachen. Auffällig ist vor allem der Zeitpunkt, zu dem das Gericht die Festnahme des Premiers angeordnet hat.

Während die Nachricht kursierte, protestierten in Islamabad mehrere zehntausend Menschen für einen Rücktritt der Regierung und für politische Reformen. Die Meldung löst bei den Demonstranten Jubel aus.

Der Anführer der Proteste ist Tahirul Qadri, ein moderater islamischer Gelehrter, der erst vor wenigen Wochen aus Kanada nach Pakistan zurückgekehrt ist.

Qadri leitet eine große religiöse Organisation, die sich für interreligiöse Toleranz einsetzt und in mehr als 100 Ländern aktiv ist. Er war 2002 erstmals als Abgeordneter ins Parlament in Islamabad gewählt worden. Zu nennenswerter Prominenz hat er es nie gebracht.

Umso überraschender war der gewaltige Andrang auf Qadris erste Kundgebung seit seiner Rückkehr am 23. Dezember in Lahore: Mehrere hunderttausend Menschen folgten seinem Aufruf, gegen die Regierung zu protestieren.

Qadris religiöse Ansichten mögen moderat sein, seine politischen Forderungen sind in den vergangenen Wochen jedoch immer radikaler geworden. In einem Interview sagt er, er wolle die „Wahl-Diktatur“ in Pakistan abschaffen. Kriminelle sollten aus der Politik ausgeschlossen werden.

Aufruf zur Revolution

Am Dienstag rief er gar zu einer „Revolution“ auf, nachdem die Regierung seiner Forderung nicht nachgekommen war, umgehend zurückzutreten.

Schon seit Wochen rätseln die Menschen in Pakistan, was Qadri antreibt oder wer hinter ihm stehen könnte. Denn Qadris Kampagne muss schon jetzt ein Vermögen verschlungen haben.

Unzählige Plakate im ganzen Land verkünden Qadris Botschaft, auf Pakistans Privatsendern laufen in jeder Werbepause teure Qadri-Werbespots. Seine Organisation weigert sich, ihre Finanzen offenzulegen. Viele Pakistaner vermuten, dass Qadri mit der Armee gemeinsame Sache macht.

Dafür spricht in der Tat eine Menge. Denn eine von Qadris Kernforderungen lautet, die Justiz und die Armee stärker in den politischen Prozess zu integrieren. Dabei hat die letzte Militärdiktatur erst 2008 geendet.

Ein demokratisches Experiment

Pakistans demokratisches Experiment steht gerade wegen der ständigen Interventionen der Generäle noch in den Anfängen. Sollte die Regierung nicht jetzt noch stürzen, dann wäre sie die erste seit der Staatsgründung, die eine volle Amtszeit lang an der Macht war und die Amtsgeschäfte anschließend – wie in der Verfassung vorgesehen – bis zur Wahl an eine Übergangsregierung übertragen hat.

Doch so weit möchte es Qadri nicht kommen lassen. Qadri rief seine Anhänger auf, in der Hauptstadt zu campieren, bis die Regierung seinen Forderungen nachgibt. Von den Institutionen im Land kämen „nur die Justiz und die Armee ihren Verantwortlichkeiten nach“.

Er bezeichnete Armee und Justiz als „hochgradig aufrichtig, hochgradig kompetent und hochgradig professionell“. Die Regierung setze deren Urteile jedoch nicht um.

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