Hamburger Linken-Fraktionschefin: „Wir müssen kampagnenfähig werden“

Dora Heyenn will Personaldebatten schleunigst beenden. Deshalb kandidiert sie jetzt für den Parteivorsitz. Und will für enttäuschte Sozialdemokraten und Gewerkschafter stehen.

Zu viele alte Männer in der Parteispitze: Dora Heyenn, Linken-Chef Klaus Ernst (r.) und Fraktionschef Gregor Gysi. Bild: dapd

taz: Frau Heyenn, warum wären Sie die bessere Bundesvorsitzende der Linken als Dietmar Bartsch oder Katja Kipping?

Dora Heyenn: Ich behaupte nicht, die bessere Bundesvorsitzende zu sein. Meine Kandidatur richtet sich nicht gegen andere Kandidaten, sondern ist ein zusätzliches personelles Angebot.

Was hat Sie bewogen, Ihren Hut noch in den Ring zu werfen?

Ich werde seit Monaten von diversen Bundes- und LandespolitikerInnen bearbeitet, zu kandidieren. In der jetzigen Krisensituation sehe ich keine Möglichkeit, weiter abzuwinken, auch wenn ich mich bislang nie in der Bundespolitik gesehen habe.

Das ist kein inhaltliches Motiv.

Ich stehe mit meiner politischen Geschichte für viele enttäuschte Sozialdemokraten und Gewerkschafter, die sich einst der Linken zugewandt und inzwischen wieder von uns abgewendet haben. Ich möchte mit meiner Kandidatur deutlich machen, dass es sich für Menschen aus dieser politischen Kultur lohnt, sich weiter innerhalb der Linken für soziale Gerechtigkeit einzusetzen.

Die  63-Jährige machte in der schleswig-holsteinischen SPD Karriere, trat 1999 aus, 2005 in die WASG ein, führte die Linke 2008 und 2012 ins Hamburger Parlament, ist dort Fraktionschefin.

Wie wollen Sie das schaffen?

Wir müssen deutlich machen, dass der flächendeckende Mindestlohn und auch die Kritik an Hartz IV mit dem damit verbundenen Abbau sozialer Sicherheit ohne die Linke keine Priorität in der öffentlichen Debatte gefunden hätte. Auch das Thema Truppen raus aus Afghanistan haben wir gesetzt.

Das hat den Sinkflug der Linken aber nicht aufgehalten.

Unsere öffentliche Darstellung ist durch persönliche Auseinandersetzungen und nicht mehr durch Inhalte geprägt – das gilt es, schleunigst zu ändern.

Das Hin und Her um Oskar Lafontaines Kandidatur zeigt aber deutlich, dass die Partei derzeit allein mit konsequenter Selbstbespiegelung präsent ist.

Diese Personaldebatten haben uns immens geschadet. Ich habe Oskar Lafontaine eindringlich gebeten, sich bis spätestens Ende April zu erklären, was er aber leider nicht getan hat.

Welche Akzente wollen Sie als Bundesvorstand setzen?

Wir müssen wieder kampagnenfähig werden, klare politische Schwerpunkte setzen und konkrete Lösungen für gesellschaftliche Probleme anbieten. Eine Hauptaufgabe des Vorstandes wird zudem sein, eine bessere Kommunikation zwischen den Ländern, einzelnen Strömungen und dem Bund herzustellen. Natürlich wird die Doppelspitze auch medial präsent sein, aber auch Gysi, Lafontaine oder Wagenknecht werden das Bild der Linken weiter prägen.

Welche Chancen rechnen Sie sich bei Ihrer Kandidatur aus?

Fifty-fifty!

Sie stehen nicht gerade für einen Generationswechsel in dieser Partei der alten Männer.

Unsere Parteistruktur ist sicher männlich dominiert und überaltert. Wir brauchen junge Menschen, die in der Partei Verantwortung übernehmen, müssen aber auch die 30 Prozent der Bevölkerung repräsentieren, die über 65 sind. Von Altersdiskriminierung halte ich da gar nichts.

Welches Spitzenduo würde die verschiedenen Parteisegmente am besten repräsentieren?

Ich habe keinen Wunschpartner und halte auch nichts davon, in einer Doppelspitze alle möglichen Parteiproporze irgendwie abbilden zu wollen. Sollten bestimmte Parteistömungen hier nicht vertreten sein, muss man sie umso mehr in die Entscheidungen mit einbinden.

Ein Tandem Dora Heyenn/Dietmar Bartsch würde die Angst vieler Linker vor einem Durchmarsch der Realpolitiker stärken, bis hin zur Gefahr einer Parteispaltung.

Das Szenario einer Parteispaltung, wenn dieser Kandidat, jene Kandidatin nicht gewählt werden, wird derzeit ständig aus durchsichtigen Motiven ständig bemüht. Ich halte nichts von solchen Schreckensbildern.

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