Hanf oder gar nicht: „Zeit, die Angst zu überwinden“

Kontroverse im Bremer taz-Salon zur Cannabis-Politik: Skeptiker und Befürworter debattierten über Risiken und Chancen einer Freigabe.

Bremens GdP-Chef Jochen Kopelke überzeugt auf dem taz-Podium offensichtlich nicht alle. Foto: Kay Michalak (Fotoetage)

BREMEN taz | Erwischt die Polizei jemanden mit Cannabis, geht die Arbeit der Ermittler erst los: Den Stoff beschlagnahmen, auf die Wache bringen und dann Wiegen – nicht einfach so, sondern nach Vier-Augen-Prinzip. Minutenlang erklärte Jochen Kopelke, Bremer Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), die Details einer Sicherstellung der Droge Cannabis.

Am Dienstagabend saß Kopelke auf dem Podium im Kulturzentrum Lagerhaus. Die taz.bremen hatte zu einem Salon ins Kulturzentrum Lagerhaus geladen, um unter dem Titel „Legalize it“ über die Bremer Haschisch-Politik zu diskutieren, moderiert wurde das Gespräch von Redakteur Benno Schirrmeister. Anlass, über die Chancen und Risiken einer Freigabe nachzudenken, bot der Vorstoß der rot-grünen Koalition in Bremen, der eine weitgehende Liberalisierung de Cannabis-Politik befürwortet – und die Möglichkeiten dafür auf Landesebene auslotet.

Kopelke allerdings warnte vor allem vor dem „gefährlichen Stoff THC“. Er sieht in einer Legalisierung keine Entlastung für die Polizei. Auch eine höhere Obergrenze für den faktisch straffreien Eigengebrauch bedeute für die Polizei einen „riesigen Bürokratie-Aufwand“.

Doch bei Kopelkes Ausführungen über die Details des Cannabis-Alltags auf der Wache, rutschte sogar Polizeipräsident Müller heraus: „Ich bin auch für die Legalisierung“. Leise nur sagte er das und nicht für die Ohren des Publikums bestimmt. Auf dem Podium aber sorgte Müllers heimliches Bekenntnis für Heiterkeit, während das Publikum noch empört die Köpfe schüttelte.

Polizeipräsident Müller war anfangs noch anders aufgetreten: Die Polizei würde die Normalverbraucher in Ruhe lassen, sagte Müller. „Wir verwenden so wenig Aufwand wie möglich“. Das provozierte Widerspruch auf dem Podium: Für Georg Wurth, Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbandes, ist Deutschland „das repressivste Land Europas“, was Cannabis-Konsum angeht. Auf den Konsumierenden laste „in Wirklichkeit ein erheblicher Druck“, so Wurth. Deutschlands vermutlich umtriebigster Legalize it!-Lobbyist musste bereits am Mittwoch wieder in Berlin bei einer Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags zum Entwurf eines Cannabis-Kontollgesetzes Rede und Antwort stehen.

Unverhältnismäßige Strafen bei Wiederholungstätern, ein Eintrag im Führungszeugnis, der Sozialarbeiter den Job kosten könne, erniedrigende Körperkontrollen – all das seien Maßnahmen, bei denen sich Konsumenten nicht entkriminalisiert fühlten, so Wurth. Nicole Krumdiek, Juristin und Gründungsmitglied des prohibitionskritischen „Schildower Kreises“, erklärte, die momentane Gesetzgebung sei „verfassungswidrig“. „Wir halten an dem was wir kennen aus Angst fest“, sagte Krumdiek. „Es ist Zeit diese Angst zu überwinden und mit allen Beteiligten gemeinsam eine Lösung zu entwickeln.“ Wege in einer Gesellschaft jenseits der Prohibition hatte sie in ihrer bereits 2006 veröffentlichten Dissertation gewiesen. Die gilt, derzeit leider nur als e-book lieferbar, auch wegen dieser Praxisorientierung bis heute als ein Referenztext der Freigabe-Debatte in Deutschland.

In einigen Punkten war sich das Podium allerdings einig. Etwa, als Müller erklärte: „Die Polizei ist nicht Treiber der Diskussion, sondern im Vollzug“. Aus seiner Sicht sei also die Politik gefragt, ein überzeugendes, bundesweites Konzept für den Umgang mit Cannabis zu entwickeln. „Es muss eine reine gesundheitliche Diskussion sein“, sagte Müller. Damit wendete er sich an die ebenfalls anwesende Bremer Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD).

Sie trat für eine Legalisierung des Konsums ein – entsprechend des Vorhabens der rot-grünen Koalition, einen Modellversuch beziehungsweise eine Bundesratsinitiative zu starten. „Ein Verbot senkt die Zahl der Konsumierenden nicht“, sagte Quante-Brandt. Und eine Kriminalisierung der Konsumenten finde sie ebenfalls nicht sinnvoll. Für Quante-Brandt war es selbstverständlich, dass man in dieser Diskussion zwischen Jugendlichen und Erwachsenen trennen müsse. Um Jugendliche zu schützen, gingen Maßnahmen der Suchtprävention mit einer Legalisierung einher. Erwachsene aber seien selbst verantwortlich für ihr Handeln beziehungsweise: ihren Konsum.

Die Tabuisierung des Themas in der Gesellschaft wurde aus dem Publikum zur Sprache gebracht: Zu wenig werde über Cannabis gesprochen, eine Aufklärung durch die Eltern werde dadurch verhindert. Ein Suchttherapeut berichtete, dass eine Kriminalisierung die Situation für seine Patienten schlimmer mache. Mit einer Legalisierung hingegen gewinne man an Kontrolle, es gäbe einen Verbraucherschutz, Jugendschutz und neue Steuereinnahmen könnten in die Präventionsarbeit fließen.

Da stimmte ihm auch Quante-Brandt zu: Mit kontrollierten Abgaben von Cannabis könne auch die Konzentration des Wirkstoffs THC besser überprüft werden. Bis zu einer bundesweiten gesetzlichen Regelung sei es jedoch noch ein langer Weg.

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