Hannover und der HSV vorm Derby: Überholspiel mit delikater Note

Mirko Slomka kehrt mit dem HSV zum Abstiegsduell bei seinem Ex-Verein Hannover 96 zurück. Der kämpft verzweifelt gegen den Negativtrend.

Mirko Slomka als Hannover-Trainer in Hamburg. Am Samstag gibt es das andersrum Bild: dpa

HANNOVER taz | Martin Kind erinnert sich nicht mehr exakt an die Speisefolge beim Wiedersehen im Januar. Wohl aber an die Atmosphäre des finalen Treffens mit Mirko Slomka im „Kokenhof“, einem geschichtsträchtigen Fachwerkgebäude mitten in Großburgwedel, das der Patron von Hannover 96 immer nutzt, wenn wichtige Gespräche anstehen.

Kind war es damals ein großes Anliegen, sich stilvoll von jenem Fußballlehrer zu verabschieden, der vier Jahre lang ziemlich erfolgreich die Entwicklung seines Herzensverein vorangetrieben hatte. „Wir haben seitdem immer noch losen Kontakt“, erzählt der 69-Jährige, „auch Mirko weiß, dass der Schritt der Trennung notwendig war.“

Das mag vor allem für dessen Assistenten gelten, die bei weiten Teilen der Mannschaft jegliches Vertrauen verspielt hatten. Die Frage, ob es nicht besser gewesen wäre, einfach Slomkas umstrittene Helfer auszutauschen und Tayfun Korkut als neuen Co-Trainer einzustellen – so wie es ja eigentlich vorgesehen war – mag Kind aktuell nicht wirklich beantworten. „Wir haben andere Entscheidungen getroffen.“ Bekanntlich wurde der gebürtige Hildesheimer und bekennende Hannover-Liebhaber Slomka entlassen und dafür am 2. Januar Korkut installiert.

Slomka kam keine zwei Monate später beim Hamburger SV als neuer Cheftrainer unter, und diese Personalie gibt dem Nordderby zwischen Hannover und dem HSV (Samstag, 15.30 Uhr) eine delikate Note. Slomka behauptet, Genugtuung würde er bei einem Triumph in der Heimat nicht empfinden. „Davon bin ich völlig frei“, erklärt der 46-Jährige, „ich hätte mir nur gewünscht, dass Martin Kind am Ende schneller gesagt hätte, dass es vorbei ist.“ Gleichzeitig sagte er vor dem Spiel, er habe kein Mitleid mit 96: „Die müssen ihre Hausaufgaben selbst machen.“

10.000 wollen mitkommen

Für seinen HSV hat Mirko Slomka indes „einen vernünftigen Trend“ ausgemacht – er hat es ja wirklich geschafft, die Mannschaft zu stabilisieren und das Umfeld für den Abstiegskampf zu sensibilisieren. Bester Beleg: 10.000 Anhänger wollen mit nach Hannover kommen.

Dort kämpft Korkut hingegen verzweifelt gegen „einen Negativtrend an, in dem wir nicht versinken dürfen.“ Kind hat erst jetzt den Eindruck, dass die Lage „endgültig realisiert“ sei. Am Mittwoch quartierte sich das Team im ostwestfälischen Marienfeld ein, ein Kurztrainingslager im Sporthotel „Klosterpforte“ soll helfen, die auseinandergebröselte Einheit wiederherzustellen.

Doch gelingt das auf die Schnelle? Selbst Klubboss Kind hegt Zweifel: „Für uns wird es schwierig, einfach den Hebel umzulegen und befreit aufzuspielen: Ich wäre mit einem Unentschieden schon zufrieden.“ Der erfolgreiche Hörgeräteunternehmer hat ausgerechnet, „dass uns zwei Siege mit großer Wahrscheinlichkeit helfen, die Klasse zu halten.“

Doch in der inakzeptablen Verfassung von letztem Sonntag, als die meisten Kicker sich mit dem Behauptungswillen eines Plüschtiers und dem Bewegungsdrang eines Briefbeschwerers ins Niedersachsenderby in Braunschweig begaben, wird diese Mannschaft auch ausstehende Duelle gegen Stuttgart, Nürnberg und Freiburg kaum gewinnen.

Korkut denkt kurzfristig

Auch deshalb ist die Begegnung mit dem hochmotivierten Ex (Slomka: „Das ist für uns ein Überholspiel“) eine Nagelprobe für alle bei 96. Und natürlich den 40-jährigen Trainer. Korkut selbst interessiert naturgemäß nur das nächste Spiel. „Wir müssen sehen, dass wir unsere Chance nutzen, den HSV wieder klarer zu distanzieren.“

Doch was passiert bei einer Niederlage? „Es ist sicher davon auszugehen, dass unser Trainer auch am Gründonnerstag in Frankfurt auf der Bank sitzt“, betont Kind und gibt bei Vorbehalten gegen einen Berufsanfänger zu bedenken: „Ein erfahrener Mann gibt auch keine Garantie für den Klassenerhalt.“

Korkut sei qualifiziert, kommunikativ und eine ausgeprägte Persönlichkeit. Kind sagte der Bild: „Es wird bei 96 keine Trainerentlassung geben.“ Nur: Die Halbwertszeit solcher Versprechungen ist bekannt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.