Hausbesetzungen in München: Wir sind dann mal da und wieder weg

In München halten spontane Hausbesetzungen die Polizei in Atem. Wenn die anrückt, sind die Häuser allerdings so leer wie zuvor.

Transparente an einem Haus

Eines der kurzfristig besetzten Häuser in München Foto: LauHaus

MÜNCHEN taz | München ist nicht gerade für seine Hausbesetzungen bekannt. Im Gegenteil: Nach den Gewaltexzessen rund um den G20-Gipfel in Hamburg wurde der bayerische Innenminister Joachim Herrmann nicht müde, auf die alte Regelung hinzuweisen, wonach keine Hausbesetzung in Bayern länger als 24 Stunden dauern darf. Umso erstaunlicher ist es, dass in den vergangenen Wochen immer wieder die Kunde von besetzten Häusern die Runde machte. Zum Beispiel das „Schnitzelhaus“: Am 22. Juli hing dort plötzlich ein Bettlaken vom Balkon. Darauf stand: „Besetzt“.

Das „Schnitzelhaus“ auf der Schwanthalerhöhe im Münchner Westend ist seit Jahren Symbol für den Leerstand in einer Stadt, in der Wohnraum immer knapper wird und die Mieten und Immobilienpreise astronomische Höhen erreicht haben. Nun hatten sich also Besetzer, die sich „Für Lau Haus“ nennen, in dem hellblauen Mehr­fa­mi­lien­haus niedergelassen und das gleich mal per Pressemitteilung verkündet. Das „A“ in „Lau“ schreiben sie als Großbuchstaben, umringelt in Anarchistenmanier. In dem Haus habe man einen „Umsonstladen“ eingerichtet, hieß es, eine Tauschplattform vergleichbar den öffentlichen Bücherschränken.

Das Ungewöhnliche an der Hausbesetzung: Von den Besetzern fehlte jede Spur. Während die Polizisten noch ratlos vor dem Haus standen, erklärten die Besetzer auf ihrer Website enttäuscht, die „Bullen“ hätten ihren Laden „geplündert“, man selbst habe sich durch die Hintertür verzogen. An dem Leerstand des Hauses, in dem seit 2013 niemand mehr wohnt, hatte sich also nichts verändert.

Gleiches Spiel am 9. September, in der Seidlstraße, gleich hinterm Hauptbahnhof. Ziel der Attacke war diesmal der ehemalige Nobelclub Meinburk: „Dutzende schwarz gekleidete, zum Teil vermummte“ Menschen seien hier in das Haus eingedrungen, beschrieb die Süddeutsche Zeitung die Szene. Nur: Es handelte sich um Spezialkräfte der Polizei. Von den Besetzern war wiederum nichts zu sehen. Nur ihre Transparente, ihren Umsonstladen und ein paar mit Sperrmüll verrammelte Treppenaufgänge hatten sie zurückgelassen.

„Wir lehnen Eigentum generell ab“

Dazwischen gab es noch eine kleinere Aktion im Stadtteil Freimann. Dort war es eine ehemalige Druckerei, die „besetzt“ wurde. So ungern sich die Besetzer in der Öffentlichkeit zeigen, so auskunftsfreudig geben sie sich per E-Mail. Eine andere Kontaktmöglichkeit komme für sie derzeit nicht infrage. Daher also auf elektronischem Wege die Frage: Was soll das? „Wir wollen zeigen, dass Menschen sich ihren Lebensraum selbst nicht mehr nehmen können“, so die Antwort. Und dass niemensch etwas dagegen tun könne, „wenn sich genügend Menschen dazu selbst ermächtigen“.

Einwand: Aber das ist doch nicht erlaubt. Antwort: „Als Anarchist_innen sind Legalität und Illegalität für uns keine relevanten Kategorien. Für uns macht es keinen Sinn, dass während im Zentrum von München Häuser leer stehen, Menschen in die Randgebiete verdrängt werden oder gar keine Wohnung finden, nur weil sie nicht genügend Geld haben.“ Diesen Missstand kritisieren in München viele, respektieren aber dennoch das Eigentum der anderen. Nicht so die Leute vom „Für Lau Haus“: „Wir lehnen Eigentum generell ab.“

Die Polizei rechnet die Besetzer der Münchner Anarchoszene zu, die sie auf 500 bis 600 Leute schätzt. Die meisten von ihnen seien „nur wenig gewaltbereit“, sagt eine Sprecherin der Polizei. Dennoch ist man nicht gerade begeistert von den Vorfällen. Es ist zwar nicht viel passiert; da die Türen nicht versperrt waren, es gab beim Eindringen der Pseudobesetzer nicht einmal Sachschaden in den Häusern. Aber die Polizei hätte sich die Einsätze gern gespart. In der Seidlstraße war sie mit rund 70 Beamten vor Ort, bevor sie sich von der Harmlosigkeit der Situation überzeugt hatte. Jetzt wird zumindest wegen Hausfriedensbruch ermittelt.

Wie ermittelt man gegen ein Phantom? „Früher oder später werden wir sie schon kriegen“, sagt die Polizeisprecherin: „Je öfter sie noch zuschlagen, desto wahrscheinlicher ist es.“ Wird es denn weitere Ak­tio­nen geben? Die Anarchisten: „Auf jeden Fall.“

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