Hertha BSC in der Fußball-Bundesliga: Eine Partie Rasenschach

Das 0:0 zwischen Hertha BSC und dem 1. FC Köln am Sonnabend sichert den Berlinern den Klassenerhalt.

Kopf hoch! Szene aus dem Duell Hertha vs. Köln am Samstag Bild: dpa

Um den Unterhaltungswert des Bundesligaspiels zwischen Hertha BSC und dem 1. FC Köln einordnen zu können, sei auf Yukiko Sumi verwiesen. Sie berichtet für die japanische Sportzeitung The Hochi Shimbun und will ihren Lesern vor allem mitteilen, wie gut die japanischen Profis in der Bundesliga abschneiden. Am Samstag standen mit dem Herthaner Genki Haraguchi und den beiden Kölnern Yuya Osako und Kazuki Nagasawa gleich drei Japaner auf dem Platz. Yukiko Sumi hätte also viel zu berichten gehabt – wenn es denn etwas zu berichten gegeben hätte.

Es lief bereits die 39. Spielminute, als Frau Sumi ein erstes Mal freudig lachend über die Schulter zu ihrem japanischen Kollegen blickte. Tor! Durch einen Japaner! Shinji Okazaki, 0:1, leuchtete auf der Anzeigentafel auf. Okazaki spielt allerdings für Mainz 05 und hatte im 725 Kilometer entfernten Freiburger Schwarzwaldstadion getroffen. In Berlin sahen die 51.203 Zuschauer derweil eines jener Spiele, für die der Begriff „Rasenschach“ erfunden worden ist. Weil in dieser Disziplin Herthaner und Kölner ausgewiesene Experten sind, fanden packende Torraumszenen, findige Kombinationen und mitreisende Emotionen, also alles, was so viele Menschen an einem Fußballspiel fasziniert, äußerst selten statt.

Per Skjelbred (30. Minute) vergab aus zehn Metern die beste Chance zum 1:0. In Hälfte zwei schoss Haraguchi (59. Minute) aus drei Metern knapp vorbei – was neben den Hertha-Fans auch Yukiko Sumi bedauerlich fand. Bei den Kölnern, die mit ihrem achten 0:0-Spiel in dieser Saison einen neuen Bundesliga-Rekord aufstellten, kam mit Miso Brecko (35. Minute) bezeichnenderweise ein Abwehrspieler dem Torerfolg am nächsten. Dementsprechend gelangweilt verfolgte Frau Sumi die restliche Spielzeit.

Wer die Hertha-Heimspiele in dieser Saison regelmäßig verfolgt hat, dürfte festgestellt haben, dass derlei Vorführungen im Olympiastadion häufiger stattfinden. Nun geht es den Berlinern in dieser Saison primär um den Klassenerhalt. Mit Schönspielerei gewinnt man im Kampf um diesen recht wenig, was auch der Trainer Pal Dardai weiß. Nachdem er Hertha am 20. Spieltag übernommen hat, wird die Defensivarbeit äußerst konsequent verrichtet. Mit Erfolg. Der Bundesliga-Verbleib ist bei sieben Punkten Vorsprung und nur noch fünf ausstehenden Spielen nahezu sicher.

Die spannendere Frage ist deshalb, wie sich der Klub in der nächsten Saison präsentiert. Dardai, der zuvor Herthas U-15-Nachwuchsmannschaft betreute und immer noch sein Heimatland Ungarn coacht, wird die Profis wohl weiterhin anleiten dürfen. Er muss ihnen dann ein neues Profil verpassen, ein attraktiveres.

Denn zur Hertha verirren sich momentan nur diejenigen, die auch dann da sind, wenn der Verein in der Zweiten Liga spielt. Das Olympiastadion war in dieser Saison erst einmal ausverkauft – natürlich als die Bayern gastierten. Ansonsten ist es mit 64,4 Prozent so gering ausgelastet wie sonst kein anderes Stadion in Deutschlands Eliteliga. 80 bis 90 Prozent werden in Stuttgart, Hannover, Hoffenheim und Mainz erreicht, gar 90 bis 100 Prozent in den restlichen Städten. Davon kann man in Berlin nur träumen.

Steigern können die Blau-Weißen das nur, wenn sie spektakulären und erfolgreichen Offensivfußball anbieten. Um das umzusetzen, hat Dardai einen gewissen Kredit, den ihm auch die Fans gewähren. Für die Köln-Vorstellung gab es kaum Pfiffe. Die Fans sind noch geduldig. So geduldig wie Yukiko Sumi. Erst in der 80. Minute lächelte sie wieder. Da flimmerte die Info von Shinji Kagawas Tor in Dortmund über die Anzeigentafel.

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