Hilfe für Euroländer: Ein dickes Paket

Gleich vier Euroländer warten auf Hilfe aus Brüssel, mehr denn je. Doch der EU-Gipfel will Entscheidungen auf November verschieben.

Euroländer müssen bis November auf Hilfspakete warten. Bild: dapd

BRÜSSEL taz Hat sich die Eurokrise entspannt? Wer den EU-Gipfel verfolgt, könnte diesen Eindruck gewinnen. Dabei wird die Lage in Südeuropa immer dramatischer. Nach Griechenland und Spanien wird nun auch der „Musterschüler“ Portugal von Protesten gegen die Spardiktate aus Brüssel erfasst. Doch Kanzlerin Merkel und die anderen 26 Staats- und Regierungschefs interessiert das nur am Rande. Beim Abendessen wollen sie über die Lage in den Krisenländern sprechen – das war’s.

Neue Hilfspakete oder Lösungsstrategien soll es bei diesem Gipfel nicht geben. Beschlüsse wurden kurzerhand auf November verschoben. Das passt US-Präsident Barack Obama besser in den Kram – kurz vor der Wahl möchte er Ruhe an der Euro-Front. Und es gefällt auch Merkel: Sie möchte den Bundestag nicht schon wieder um neue Krisenhilfen bitten müssen. Am liebsten würde sie ein „Paket“ schnüren und alle Hilfsanträge auf einmal durch das Parlament bringen.

Das wird allerdings ein ziemlich dickes Paket. Denn nicht nur Griechenland braucht dringend neue Finanzhilfe. Auch Spanien, Zypern und sogar Slowenien blicken begehrlich nach Brüssel. Insgesamt sind also vier Länder auf Unterstützung angewiesen – so viel wie noch nie seit Beginn der Eurokrise vor drei Jahren. Und noch nie gab es so viele verschiedene Notlagen, auf die sich die Euroretter einstellen müssen. Jedes Land ist anders, die Krise wird immer komplizierter. Hier ein Überblick:

Griechenland. Das Land braucht spätestens Mitte November die längst zugesagten 31,5 Milliarden Euro aus dem zweiten Rettungsprogramm. Zuvor muss es allerdings die damit verbundenen rund 90 Spar- und Reformauflagen erfüllen. Die Eurogruppe hatte der griechischen Regierung ein Ultimatum bis zum EU-Gipfel gesetzt. Zudem sollen neue Hilfen vom immer wieder aufgeschobenen Bericht der internationalen Troika abhängig gemacht werden. Allerdings hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble einen Staatsbankrott Griechenlands bereits ausgeschlossen – früher oder später wird die fällige Hilfstranche also fließen.

Wie es danach weitergeht, weiß allerdings niemand. Denn schon jetzt ist klar, dass Griechenland mehr Zeit und mehr Geld für die Sanierung braucht. Von einem neuen Schuldenschnitt und einem dritten Rettungspaket ist die Rede – doch Berlin ist strikt dagegen. Die Zitterpartie geht also weiter, die Notlage auch. Gerade rollt wieder eine Streikwelle durch Griechenland, eine Beruhigung ist nicht in Sicht.

Spanien. Die Eurogruppe hat bereits bis zu 100 Milliarden Euro zur Sanierung maroder Banken zugesagt. Nun könnte die Regierung in Madrid auch noch um Hilfe der Europäischen Zentralbank (EZB) bitten, um die hohen Anleihezinsen auf ein erträgliches Maß zu drücken und das Staatsbudget zu entlasten. Allerdings zögert Regierungschef Rajoy. Er möchte zuerst die Hilfskonditionen kennen – und ein Spardiktat der Troika (wie in Griechenland) vermeiden. Angeblich hat er sogar schon einen Trick gefunden, um sein Gesicht zu wahren: Spanien könnte beim neuen Rettungsschirm ESM einen Kredit beantragen, den es dann gar nicht nutzt. Dennoch könnte so das Anleiheprogramm der EZB ausgelöst werden. Aber auch hier blockiert Berlin. Außerdem hat sich die Lage auf dem Anleihenmarkt etwas entspannt. Der Hilfsantrag, den die EU seit Wochen erwartet, könnte also auf sich warten lassen.

Zypern. Die Mittelmeerinsel führt gerade den EU-Ratsvorsitz, ist aber selbst auf Finanzhilfe angewiesen. Als wäre dies nicht schon peinlich genug, streiten die Verhandlungsführer von Zypern und Eurogruppe auch noch seit Wochen über den Hilfsbedarf. Mal ist von 5, dann wieder von bis zu 15 Milliarden Euro die Rede. Damit soll der zypriotische Bankensektor gestützt werden, der eng mit Griechenland verflochten ist. Erschwert wird eine Einigung nicht nur durch die bevorstehenden Wahlen im Februar 2013, sondern auch durch die engen Beziehungen Zyperns zu Russland – in Brüssel verdächtigt man die Zyprioten, einen Sonderdeal mit Moskau zu suchen.

Slowenien. Das Balkanland galt als Musterschüler der Eurogruppe, nun ist es ein Pleitekandidat. Wie in Spanien ist nicht der Staat, sondern der private Bankensektor schuld an dem Debakel. Ministerpräsident Janez Jansa schlug schon im September Alarm, doch bisher liegt in Brüssel kein offizieller Hilfsantrag vor. Slowenien wäre bereits das sechste Euroland, das auf Hilfe angewiesen wäre – die Krise weitet sich aus.

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