Homophobie in Bremen: „Ich krieg’ dich, du Homo!“

Das Rat & Tat – Zentrum für Schwule und Lesben im Bremer Viertel ist wieder mit Buttersäure attackiert worden. Jetzt ermittelt der Staatsschutz

Das Rat & Tat-Zentrum ist seit 2015 schon fünf Mal attackiert worden. Foto: Karolina Meyer-Schilf

BREMEN taz | Auf den Gehwegplatten sind nur noch vereinzelt weiße Schlieren und Flecken zu sehen. Die kommen von der Natronlauge, mit der die MitarbeiterInnen das Bremer Rat & Tat die Buttersäure von ihrem Haus und dem Bürgersteig gewaschen haben. Am Wochenende wurde das Zentrum mit Buttersäure attackiert.

Weil das nicht zum ersten Mal passiert ist, haben sie die Natronlauge immer vorrätig. Seit dem vergangenen Jahr ist das „Zentrum für Schwule und Lesben e.V.“ ganze fünf Mal angegriffen worden: mitten im linksalternativen Viertel, in der Theodor-Körner-Straße.

Die Polizei spricht lieber von „Sachbeschädigung“, das ist der juristisch korrekte Begriff für das Besprühen der Treppe mit Graffiti und dem Verteilen von Buttersäure auf Hauswand und Gehweg.

Keine Spur vom Täter

Nach den jüngsten Vorfällen am Wochenende ermittelt nun der Staatsschutz: Vermutlich in der Nacht zu Freitag hatte jemand einen Karton voll Bettenfedern in den kleinen Lichtschacht vor dem Souterrainfenster geschüttet. Freitagabend und schon wieder am Samstag folgten Buttersäure-Attacke. Über den oder die TäterInnen ist bislang nichts bekannt.

Niemand in der kleinen Straße hat ausgesagt, etwas gesehen oder gehört zu haben. „Das scheint zunächst verwunderlich“, sagt Nils Matthiesen von der Bremer Polizei, „aber Buttersäure macht eben keinen Lärm.“ Die Säure könne einfach im Vorbeigehen auf das Haus gesprüht werden, ohne dass es jemand bemerkt.

Im Verein wird deshalb bereits seit einiger Zeit darüber diskutiert, den Bereich vor dem Haus mit einer Kamera zu überwachen. Doch das ist rechtlich nicht ganz einfach: Mitgefilmt würde schließlich auch ein öffentlicher Bereich und damit jeder, der am Gebäude vorbeigeht.

Eine Videokamera würde nicht nur Angreifer abschrecken, sondern auch Menschen, die hier Beratung suchen

Überwachung mit Folgen

Schwerer wiegt jedoch ein anderes Argument gegen die Videoüberwachung. „Viele, die bei uns Beratung suchen, sind ja noch gar nicht geoutet“, sagt Rat & Tat Vorstand Reiner Neumann. „Die laufen sowieso erst zwei-, dreimal ums Haus, bevor sie sich zu uns herein trauen.“ Videoüberwachung könne sie dann endgültig abschrecken.

Das gelte noch mehr für die vielen Geflüchteten, die seit vergangenem Jahr ebenfalls Beratung bei Rat & Tat bekommen. „Mit ihnen können wir uns nicht mal in unser Café setzen, weil sie solche Angst haben, dass jemand von ihrer Homosexualität erfährt“, so Neumann, „deshalb gehen wir mit ihnen meistens nach oben in einen Raum, der keine Glasfront zur Straße hat.“ Eine Videoüberwachung würde wahrscheinlich viele von ihnen ganz abhalten, sich an den Verein zu wenden.

Was die jüngsten Angriffe auf das queere Zentrum betrifft, sieht Neumann auch die veränderte gesellschaftliche Stimmung als mitursächlich für die vermehrten Attacken an: Das Erstarken populistischer Bewegungen in Deutschland, aber auch international trage viel zum Gesamtbild bei.

Ärger mit Nachbarn

„Wir haben zwar lange Ruhe gehabt“, sagt Reiner Neumann – das Zentrum besteht seit drei Jahrzehnten –, „zehn Jahre ist nichts passiert“, bevor es wieder los ging mit den Anschlägen. Wer dahinter stecken könnte, weiß er auch nicht.

„Wir erfahren viel Unterstützung von unseren Nachbarn hier – jedenfalls von den meisten.“ Direkt nach den jüngsten Attacken seien mehr Leute ins Café gekommen als normalerweise, darunter viele, „die gesagt haben: Jetzt trinken wir unseren Kaffee extra mal bei Rat & Tat“.

Daneben gibt es aber auch einige, denen das queere Beratungszentrum offenbar ein Dorn im Auge ist. Denn so tolerant, wie sich das Viertel und seine Bewohner auch geben – Sätze wie „Ich krieg’dich, du Homo!“ hat Reiner Neumann von Nachbarn zu hören bekommen. Im Jahr 2016, im Bremer Ostertor.

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