Humanitäre Hilfe für Syrien: Hilfswerke klagen über Geldnot

Während die Genfer Syrien-Gespräche stocken, melden sich rund 100 Hilfsorganisationen zu Wort: Humanitäre Hilfe sei massiv unterfinanziert.

Staffan de Mistura hält einen Plan von Syrien und Irak in die Höhe, im Hintergrund sind Teile des UN-Logos zu sehen.

Hat zumindest einen Plan: der UN-Sonderbeauftragte für Syrien Staffan de Mistura. Foto: dpa

LONDON/BONN epd | Rund 100 internationale Hilfsorganisation haben die Staatengemeinschaft zu einem stärkeren Engagement für die syrische Bevölkerung aufgerufen. Es müsse sichergestellt werden, dass alle Bedürftigen versorgt werden könnten, forderten die Organisationen, darunter das Bündnis „Aktion Deutschland Hilft“, die Welthungerhilfe und Save the Children am Montag. In den Nachbarländern Syriens sei die Versorgung immer schlechter, die Flüchtlinge hätten nur geringe Chancen auf Arbeit, die Armut der Geflohenen nehme unbekannte Ausmaße an.

Eine politische Lösung des Konflikts muss nach Einschätzung der Hilfswerke forciert und eine Finanzierung der Hilfsmaßnahmen dringend sichergestellt werden. Derzeit laufen in Genf Friedensgespräche mit dem Regime von Diktator Baschar al-Assad und verschiedenen Rebellenorganisationen. Am Donnerstag treffen sich auf Einladung von Deutschland, Großbritannien, Norwegen und der UN die Industrienationen in London zu einer Geberkonferenz für die Syrien-Nothilfe.

Nach Berechnungen der Entwicklungsorganisation Oxfam waren für 2015 rund 8,9 Milliarden US-Dollar für die Syrien-Hilfe nötig, für 2016 sind es 9,3 Milliarden Dollar. Laut UN kam von den allein von ihnen benötigten 8,4 Milliarden Dollar jedoch nur die Hälfte zusammen.

Oxfam kritisierte, die ärmeren Länder schulterten die Hauptlast der Syrien-Krieges, während viele reiche Länder ihren Anteil nur teilweise oder gar nicht übernähmen. Demnach tragen Staaten wie Katar, Saudi-Arabien und die USA finanziell nur einen Bruchteil dessen bei, was ihrer wirtschaftlichen Leistungskraft entspricht. Zu den wenigen Ausnahmen gehörten Deutschland, Norwegen und Kuwait, die deutlich mehr als ihren „gerechten Anteil“ aufgewendet hätten.

Die Hauptlast aber tragen laut Oxfam die ärmeren Nachbarländer Syriens: Demnach haben Jordanien und der Libanon im vergangenen Jahr mehr als das 50- beziehungsweise 60-Fache dessen geleistet, was ihrer wirtschaftlichen Leistungskraft angemessen wäre.

Vorwürfe an Russland

Unterdessen kommen die Genfer Syrien-Friedensgespräche nicht in Gang. Nun wollen Russland und die USA die Gespräche voranbringen. Vertreter beider Staaten und die UN würden am Dienstag in Genf über den Konflikt beraten, kündigte der russische Vizeaußenminister Gennadi Gatilow am Montag der Agentur Tass zufolge bei seiner Ankunft in der Schweiz an. Am Rande der internationalen Friedensgespräche sei zudem ein Treffen mit dem Chef der syrischen Regierungsdelegation, Baschar Dschaafari, geplant.

Syriens Opposition warf Russland zugleich vor, gegen eine im Dezember verabschiedete Resolution des UN-Sicherheitsrates zu verstoßen. Diese sieht neben einem Friedensplan für den Bürgerkrieg auch Hilfslieferungen für Notleidende und das Ende aller Angriffe auf Zivilisten vor. Auch Russland habe die Resolution unterzeichnet, setze aber das Töten in Syrien fort, sagte Oppositionssprecher Riad Naasan Agha am Rande der Friedensgespräche.

Die russische Luftwaffe fliegt seit Ende September Luftangriffe in Syrien, mit denen sie das Regime unterstützt. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte hatte im Dezember berichtet, dass durch russische Bomben mehr als 700 Zivilisten ums Leben gekommen seien. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International setzt Russlands Angriffe mit Kriegsverbrechen gleich.

Das Verteidigungsministerium in Moskau berichtete von mehr als 400 neuen Luftangriffen in Syrien innerhalb der vergangenen Woche. Neue Kampfjets vom Typ Su-35S hätten ihren Einsatz in Syrien begonnen, sagte ein Militärsprecher.

Regimegegner drohen mit Abreise aus Genf

Der UN-Sondervermittler Staffan de Mistura hatte die Friedensgespräche am Freitag begonnen und zunächst mit einer Regierungsdelegation gesprochen. Das in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad ansässige Hohe Verhandlungskomitee der Regimegegner (HNC) entschied sich nach langem Zögern erst danach, nach Genf zu reisen.

Die Regimegegner drohten mit der Abreise aus Genf, sollten ihre Forderungen nach einer Verbesserung der humanitären Lage nicht erfüllt werden. Sie verlangen vor Verhandlungen mit der syrischen Regierung ein Ende der Blockaden durch die Armee, weitere Hilfslieferungen sowie einen Stopp der Angriffe auf Zivilisten. Sie wollten bei einem am Montagnachmittag geplanten Treffen mit de Mistura über die Umsetzung der UN-Resolution reden, sagte Naasan Agha. Ein weiteres Treffen de Misturas mit der Regierungsdelegation wurde zunächst abgesagt.

Russlands UN-Vertreter in Genf, Alexej Borodawkin, rief die zersplitterte syrische Opposition zu einer konstruktiven Haltung bei den Friedensgesprächen auf. Moskau erwarte, dass die Gegner von Präsident Baschar al-Assad bei den Verhandlungen mit Regierungsvertretern Kompromissbereitschaft zeigten, sagte er.

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