Inflation in China: Der Schweinediebstahl boomt

Angesichts der rasanten Preissteigerungen sucht die chinesische Regierung einen Schuldigen - und findet ihn in den Bauern. Dabei ist vieles hausgemacht.

Schwein ganz oder in Hälften: wird zur Zeit beides gern gestohlen. Bild: reuters

PEKING taz | Chinas Regierung rennen die Preise davon: Auf 6,4 Prozent stieg die Teuerung im Juni gegenüber dem Vorjahr, berichteten am Wochenende die Behörden. Deutlich stärker - 14,4 Prozent - zogen in dieser Zeit die Lebensmittel an. Es ist die höchste Steigerung seit drei Jahren.

Überrascht hat diese Nachricht kaum jemand. Kein anderes Thema ist derzeit so präsent wie die Teuerung. Die Pekinger Händlerin Wang Xiaohong etwa, die ihren Stand auf dem Donghuangmarkt an der Vierten Ringstraße hat, verlangt für das Pfund Schweinefleisch inzwischen 14 Yuan (rund 1,50 Euro) "Letzten Monat konnte ich es noch zu 11 Yuan abgeben", sagt sie. Das Pfund Chinakohl kostet statt 7 nun 17 Cent.

Chinas Premierminister Wen Jiabao erklärt bei seinen Reisen durchs Land unermüdlich, die Preisstabilität habe "Priorität" für die Regierung. Er werde alles dafür tun, die Teuerung - aufs ganze Jahr gerechnet – bei höchstens 5 Prozent zu halten. Das dürfte nur schwer gelingen. Denn die Ursachen für die Teuerungen sind vielfältig.

Parteifunktionäre brachten viel Geld in Umlauf

Ein wesentlicher Grund: Pekings Funktionäre haben in den vergangenen drei Jahren viel Geld in Umlauf gebracht, um die Wirtschaft nach der globalen Finanzkrise von 2008 am Laufen zu halten. Mit freigiebigen Bankkrediten und einem Konjunkturpaket von mehr als 480 Milliarden Euro finanzierten vor allem die Banken und die Staatsbetriebe neue Projekte wie Hochgeschwindigkeitsbahnen, Flughäfen, Stadien und Industrieparks.

Aus Angst davor, in einen Strudel der Inflation gerissen zu werden, versucht die Zentralbank, das viele Geld wieder aus dem Umlauf zu ziehen. Schon sechsmal in diesem Jahr erhöhte sie die vorgeschriebenen Mindestreserven der Geldinstitute. Seit Oktober stiegen die Leitzinsen fünfmal. Gleichzeitig wollen Chinas Ökonomen verhindern, dass die Bremse abrupt angezogen wird. Für dieses Jahr erwarten sie ein Wirtschaftswachstum von etwa 9,4 Prozent. Sollten die Investitionen und Geschäfte zu stark stoppen, drohen Bankrotte und Arbeitslosigkeit. Deshalb kümmern sich die örtlichen Beamten oft nicht um die Vorgaben aus Peking. Schon jetzt weiß niemand, wie die Städte und Provinzen künftig den Schuldenberg von geschätzten rund 430 Milliarden Euro abtragen sollen, die sie mit zahlreichen Großprojekten aufgehäuft haben.

Yuan nicht frei konvertibel

Ein weiterer Grund für die großen Mengen an Geld, die in China kursieren, liegt in der Pekinger Währungspolitik: Solange der Yuan nicht frei konvertibel ist, nimmt Chinas Zentralbank jeder chinesischen Firma ihre Euro und Dollar ab, die sie im Ausland mit ihren Exporten verdient hat. Damit vergrößern sich die Devisenreserven im Besitz der Zentralbank. Die Firmen wiederum erhalten für ihre Euro oder Dollar den entsprechenden Gegenwert in Yuan.

Da China weiterhin Handelsüberschüsse einfährt, vergrößern sich automatisch sowohl die Devisenberge, die Chinas Banker irgendwo im Ausland anlegen müssen, als auch die Menge an Yuan, die durch die Volksrepublik selbst schwappen.

Von diesen komplizierten Dingen ist auf Chinas Märkten in diesen Tagen jedoch weniger die Rede. Für die hohen Lebensmittelpreise werden anderswo Schuldige gefunden: etwa die Bauern. Die Landleute hätten im letzten Jahr zu wenige Ferkel gezüchtet, weil damals die Preise noch viel niedriger lagen und sie nichts daran verdienten. Jetzt aber sind die Schweine knapp und die Fleischpreise um 57,1 Prozent höher als 2010.

300 Schweine gestohlen

Kein Wunder, dass ein alter Berufszweig Hochkonjunktur hat: der Schweinedieb. Erst vor wenigen Tagen setzte die Polizei vier Männer fest, die 300 Tiere aus den Ställen der Bauern in der Provinz Hubei gestohlen hatten.

Was die Preise außerdem in die Höhe treibt: Die anhaltende Trockenheit im Norden und Nordwesten Chinas bedroht nicht nur das Getreide, sondern auch das Grasland für Schafe und Rinder. Gleichzeitig sind in Zentralchina und im Süden große Landstriche überflutet und damit weitere Ernteausfälle zu befürchten.

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