Informationsblockade: Richter fördern Presse-Monopol

Statt alle Medien gleich zu behandeln, laden Bremer Gerichtspräsidenten, JVA-Chef und Generalstaatsanwältin zum Pressegespräch über Einsparungen nur eine einzige Journalistin.

Zu blind für Pluralismus: Justitia im Bremer Landgericht. Bild: Jan Zier

BREMEN taz| "Eine Behörde hat Informationen grundsätzlich allen interessierten Pressevertretern in gleicher Weise zugänglich zu machen", urteilte des Bremer Verwaltungsgericht 1997 mit Bezug aufs Grundgesetz. Dennoch kam es am 25. August zu einem exklusiven Pressegespräch einiger Chefjuristen Bremens, zu dem zahlreiche Redaktionen nicht geladen waren. Ein "Hinwegsetzen über die Verfassung" nennt das taz-Anwalt Johannes Eisenberg.

Nur eine einzige Journalistin des marktbeherrschenden Weser-Kuriers war geladen, als sich fünf Bremer GerichtspräsidentInnen gemeinsam mit der Generalstaatsanwältin und dem Leiter der Justizvollzugsanstalt zu Sparplänen des Bremer Senats äußerten. Einen Tag später gab's noch einen gemeinsamen Fototermin für den Weser-Kurier, sagte die Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Ilsemarie Meyer zur taz.

Gekürzt wird beim Bremer Justizpersonal seit Jahren. Kritik daran wurde bislang von den Spitzen der Gerichte nur intern geäußert. Ein solch gemeinsamer öffentlich Auftritt ist in Bremen ein Novum. OVG-Präsidentin Meyer erklärte, am 22. August seien den GerichtspräsidentInnen von der senatorischen Behörde die Sparbeschlüsse eröffnet worden: 1,6 Prozent an weiteren Einsparungen beim Justizpersonal, das seien 80 Stellen innerhalb der nächsten vier Jahre.

Am 5.9.2011 schrieb taz-Anwalt Johannes Eisenberg an alle beteiligten BehördenvertreterInnen:

"Sie haben nicht als Privatpersonen agiert, sondern als Vertreter der von ihnen geleiteten Institutionen."

"Wenn ausgerechnet Sie meinen, [...] sich nicht mehr an die Verfassung halten zu müssen und nach Gutdünken ein bestimmtes Medien, das Ihnen offenbar verspricht nach dem Mund zu schreiben, zu bevorzugen, zeigt das ein grobes Mißverstehen Ihrer Pflichten."

"Man wird wohl die Frage stellen können, ob bei Ihnen die Verfassungsmäßigkeit von Verwaltungshandeln und dessen Kontrolle in guten Händen ist."

Drei Tage nach dem Behördentermin luden die Gerichtschefs die Weser-Kurier Journalstin ins Justizzentrum am Wall, so Meyer. Es sei die Dringlichkeit gewesen, die sie dazu bewogen habe und die vielleicht verantwortlich dafür sei, dass nicht alle Pressevertreter eingeladen wurden. Ganz so überraschend kann es aber nicht gekommen sein. "Wir haben lange überlegt, ob wir diesen Schritt gehen", zitiert der Weser-Kurier Bremens Generalstaatsanwältin Kirsten Graalmann-Scheerer.

Mit der Nachricht ließ sich die Zeitung fast eine Woche Zeit. Erst am 31. August waren die Äußerungen das Tagesthema, dafür dann als Aufmacher auf Seite eins. Sonst berichtete niemand.

Dabei sind Behörden verpflichtet, "Wettbewerbsneutralität" zu wahren. Das hatte das Bremer Verwaltungsgericht bereits 1997 zu Gunsten der taz festgestellt. Bremens damaliger Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) hatte die taz von einem Hintergrundgespräch ausgeschlossen. In dem Urteil heißt es dazu: "Die öffentliche Hand hat alle Presseorgane nach Zeitpunkt, Umfang und Inhalt ihrer Auskünfte strikt gleichzubehandeln".

Doch auch nach dem Pressegespräch gab es keine Pressemitteilungen. Und auch sich wenigstens im Nachhinein gegenüber der taz zu äußern, sei zumindest von der Generalstaatsanwältin "derzeit nicht beabsichtigt", teilte ihr Pressesprecher mit.

Der Präsident des Oberlandesgerichts, Wolfang Arenhövel, habe den Kontakt zu der Journalistin hergestellt, sagte Meyer. Der war wegen Urlaubs nicht zu sprechen. Von seiner Pressestelle hieß es, die Organisation des Gesprächs sei allein die Sache des Präsidenten gewesen.

"Mir kann keiner erzählen, dass Herr Arenhövel nicht weiß, welche weiteren Redaktionen in Bremen ansässig sind", sagte Regine Suling, Bremer Landesvorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes. Radio Bremen-Chefredakteur Martin Reckweg nannte die Weise, in der die Gerichte ihre Öffentlichkeitsarbeit betrieben haben, ein "Unding": "Eine solche Bevorzugung der einen und eine Benachteiligung der anderen Medien ist völlig unüblich. Das sollte auch den Gerichtspräsidenten bekannt sein."

Bremens Justizsenator Martin Günthner (SPD) traf sich am Montag mit den Gerichtspräsidenten und pflichtete ihrer Kritik an den Kürzungen bei. Zu der Exklusivität der Äußerungen der Juristen wollte er sich nicht äußern.

Taz-Anwalt Johannes Eisenberg forderte in einem Schreiben am Montag die Gerichtspräsidenten auf, zu erklären, dass sie rechtwidrig gehandelt haben und die taz zukünftig an Presse- und Hintergrundgesprächen beteiligen. (siehe Kasten).

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