Initiative für den Doppelpass: Die Ausnahme ist längst die Regel

Bei der doppelten Staatsbürgerschaft steht die CDU stark unter Druck. Ihr Nein verhindert, dass sich mehr Einwanderer einbürgern lassen - und ist ungerecht.

EU-Bürger haben gut lachen: Der Düsseldorfer Polizist Giorgos Vasiliou darf zwei Pässe besitzen. Bild: ap

BERLIN taz | „Rein rechnerisch gibt es ja derzeit bereits eine Mehrheit für den Doppelpass“, sagt Guntram Schneider (SPD), Arbeitsminister in Nordrhein-Westfalen, am Donnerstag zur taz. Auch die FDP hat die Forderung im Mai in ihr Wahlprogramm übernommen. „Die Einzigen, die mauern, sind CDU und CSU.“ Beim Integrationsgipfel im Juni bekräftigte Angela Merkel ihr Nein zur doppelten Staatsangehörigkeit.

Nordrhein-Westfalen verstärkt nun den Druck auf die Koalition. Am Freitag wird es – zusammen mit sechs anderen Bundesländern – im Bundesrat einen Gesetzentwurf einbringen, um die doppelte Staatsbürgerschaft zuzulassen. Bisher ist das nur im Ausnahmefall möglich, aber diese Ausnahme ist heute längst die Regel: Denn bei über der Hälfte aller Einbürgerungen wird der Doppelpass hingenommen – und das schon seit Jahren.

Zuwanderer aus EU-Staaten wie Franzosen und Polen dürfen ihren bisherigen Pass ganz legal behalten, wenn sie die deutsche Staatsangehörigkeit beantragen. Auch für Brasilianer, US-Amerikaner und Israelis ist das kein Problem. Aber auch Iraner, Afghanen, Marokkaner, Libanesen und Tunesier müssen ihren Pass nicht aufgeben – ganz einfach, weil diese Länder ihre Bürger in der Regel nicht aus ihrer Staatsbürgerschaft entlassen.

Der Grundsatz, Mehrstaatlichkeit zu vermeiden, trifft die größte Einwanderergruppe in Deutschland, die Deutschtürken, deshalb am stärksten. Doch selbst ein Viertel der eingebürgerten Deutschtürken darf am Ende den türkischen Pass behalten, weil diese Personen sonst in der Türkei unzumutbare Nachteile hätte. „Diese Ungleichbehandlung ist diskriminierend für diejenigen, die ihren bisherigen Pass abgeben müssen“, sagt SPD-Minister Guntram Schneider. „Und sie schadet der Integration.“

Mehrere Bundesländer starteten in den letzten Monaten Kampagnen, um für mehr Einbürgerungen zu werben, manche nicht zum ersten Mal. Doch viele Einwanderer zögern, sich einbürgern zu lassen, weil sie ihren bisherigen Pass nicht verlieren wollen. In einer Umfrage des Essener „Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung“ gaben über 40 Prozent der türkischstämmigen Migranten in Nordrhein-Westfalen an, dies sei für sie die größte Hürde, die sie von einem Einbürgerungsantrag abhalte – kein anderer Grund wurde öfter genannt. Trotz der rot-grünen Reform des Staatsbürgerrechts im Jahr 2000 besitzen noch immer über 6 Millionen Menschen in Deutschland nur eine ausländische Staatsbürgerschaft, obwohl sie zum Teil sogar hier geboren sind.

Schon am Mittwoch wurde im Bundestag über das Thema gestritten. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, kritisierte, durch ihr Festhalten an den bisherigen Regeln mache die Bundesregierung Menschen, die hier geboren und aufgewachsen sind, „zu Ausländern im eigenen Land“. Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen warf der Bundesregierung sogar „Türkenfeindlichkeit“ vor. Die Liberalen aber stimmten, nicht zuletzt auch aus Koalitionsräson, gegen die Anträge der Opposition.

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