Initiative will die Schiller-Oper retten: Investor gegen Denkmalschutz

Seit Jahrzehnten verfällt die Schiller-Oper. Nun haben die Eigentümer die Befreiung vom Denkmalschutz beantragt. Anwohner sind dagegen.

Die Schiller-Oper in Hamburg

Verfällt immer mehr: Die Schiller-Oper in Hamburg. Foto: Miguel Ferraz

HAMBURG taz | Abgeklebte Fenster, Graffiti auf der bröckelnden Fassade und an jedem Eingang Schilder „Betreten verboten! Einsturzgefahr!“ – warum sollte man diese Bruchbude retten? Doch die Schiller-Oper hat eine lange Geschichte – und engagierte Liebhaber.

Ulrike Petersen und Annalena Kirchler zum Beispiel wollen die Schiller-Oper unbedingt retten. Vor zwei Jahren gründeten sie mit anderen Anwohner­Innen eine Initiative, die mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung bei der Planung für das historische Gebäude fordert. Nachdem lange nichts passierte, wurden die Initiatoren nun in Alarmbereitschaft versetzt: Es besteht die Gefahr, dass der Denkmalschutz der 126 Jahre alten Rotunde aufgehoben wird.

Über tausend Besucher fanden Platz, als der Zirkus Busch sein neues Haus 1891 mit einer großen Galaveranstaltung eröffnete. 1904 wurde es zum Schiller-Theater umgebaut, 1931 wurde es zur Oper umfunktioniert. 1939 musste die schon wieder schließen – angeblich, weil ein Luftschutzkeller fehlte.

Im Kriegs war die Schiller-Oper ein Lager für italienische Kriegsgefangene, danach eine „Fernfahrer-Hotel“, in dem aber nie Fernfahrer unterkamen, sondern Arbeiterfrauen. Mitte der 1970er-Jahre wird die Rotunde bei einem Brand schwer beschädigt, in den 1990er-Jahren leben in dem alten Zirkusbau Flüchtlinge – unter „menschenunwürdigen Umständen“, wie der Flüchtlingsrat beklagt.

1891–1939: kulturelle Nutzung – erst als Zirkus, dann als Theater, schließlich als Oper

ab 1944: Lager für italienische Kriegsgefangene, teilweise Zerstörung der Rotunde durch Fliegerbomben

ab 1945: Wohnheim für Arbeiterinnen

1970er-Jahre: Brand in der Rotunde. Danach vielfältige Nutzungsideen, die aber nie umgesetzt wurden

1990er-Jahre: Gleichzeitig Flüchtlingsheim und Restaurant

2003–2006: letzte kulturelle Nutzung – Partys, Konzerte und Lesungen finden in der Kneipe im Vorbau statt

Sonntag, 15–18 Uhr: „Lasst es Schillern“, Info-Veranstaltung, Haus der Familie, Bei der Schilleroper 15

Als 1998 Abrisspläne der damaligen Eigentümer bekannt werden, soll das historische Metallgerüst unter Denkmalschutz gestellt werden. Denn der zwölfeckige Zirkusbau ist der letzte seiner Art in ganz Deutschland. Zwischen St. Pauli und der Sternschanze liegend, wäre der Baugrund der Schiller-Oper ohne sie jedoch wohl wesentlich wertvoller.

Seit 2012 ist der Denkmalschutz fest verankert – eigentlich. 2014 verkaufte die Erbengemeinschaft den Bau an eine bayrische Firma. Deren Geschäftsführer Reinhold Dierckes gab an, bis zu 18 Millionen Euro in den Umbau des Gebäudes zu stecken, um darin Studentenwohnungen zu vermieten. Doch nur ein Jahr später verkaufte Dierckes das Haus weiter an den Hamburger Immobilienkaufmann Walter Kießling.

Was der mit dem Gebäude vorhat, ist nach wie vor unklar. „Wir haben keine Entwürfe gesehen, nur davon gehört“, sagt Ulrike Petersen. Es heiße, es solle eine freistehende Rotunde geben mit einem angebauten Turm. Dort könnten Wohnungen entstehen. Doch gebe es über diese Pläne nur Spekulationen, sagt Petersen.

Mitte April stellte die Linken-Abgeordneten Heike Sudmann eine Anfrage an den Senat. Denn das alte Gebäude bröckelt langsam vor sich hin und die Eigentümer unternähmen offenkundig nichts, um das Denkmal zu erhalten, bemängelt Sudmann. Die Antwort beunruhigt die Abgeordnete: In den vergangenen Wochen wurden – unter Ausschluss der Öffentlichkeit – Verhandlungen geführt.

Zuletzt Mitte März trafen sich Vertreter des Denkmalschutzamts, des Bezirksamts Hamburg Mitte sowie der Oberbaudirektor mit den Eigentümern von der Schilleroper Objekt GmbH, um über die Zukunft des Gebäudes zu sprechen. Zwei Wochen später, am 31. März reichten die Besitzer des historischen Gebäudes umfangreiche Gutachten mit dem Ziel einer Befreiung vom Denkmalschutz ein. Sollte dies gelingen, so könnte das gesamte Gebäude abgerissen werden.

Sudmann findet diese Entwicklung bedenklich: „Wenn bei den Gesprächen im März gesagt worden wäre ,Dass können Sie vergessen', wäre nicht zwei Wochen später ein Antrag gestellt worden.“ Auch Petersen und Kirchler von der AnwohnerInnen-Initiative befürchten das Schlimmste.

Dass alle Gespräche unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden haben, finden die Anwohnerinnen empörend. „Bürgerbeteiligung sieht anders aus“, sagt Kirchler. Immer wieder habe die Initiative vergeblich versucht, in Kontakt mit den städtischen Planungsinstanzen und Eigentümern zu treten.

Zu taz-Anfragen über die Schiller-Oper geben die beteiligten Behörden nur dürre Auskünfte. Lediglich die Kulturbehörde beteuert, dass ein Abriss der Rotunde nicht in ihrem Interesse sei: „Die Oper ist ein sehr bedeutendes Denkmal für uns.“ Die Anfrage der Eigentümer sei noch nicht beurteilt worden, sagt Sprecher Enno Isermann.

Aber dass der Denkmalschutz aufgehoben werde, komme bei solchen Anfragen selten zustande. Sudmann bleibt dennoch skeptisch: „Die Besitzer dafür zu belohnen, dass sie das Gebäude verfallen ließen, wäre jedenfalls eine Riesensauerei.“

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