Internet der kurzen Wege: Andocken am Datenknotenpunkt

Telekom-Mails sollen künftig über Frankfurt laufen und Umwege über die USA vermeiden. Das soll Überwachung erschweren. Aber hilft es tatsächlich?

Horrorvorstellung Totalüberwachung: Was nützt das Zugeständnis der Telekom? Bild: reuters

BERLIN taz | Die Deutsche Telekom will Ernst machen in Sachen Internet der kurzen Wege. Das Unternehmen kündigte an, sich ab sofort über den Frankfurter Knotenpunkt De-Cix mit anderen Anbietern zu vernetzen.

In den letzten Jahren setzte der Konzern meist darauf, Datenverkehr mit anderen Providern direkt auszutauschen. Denn für große Provider wie die Telekom ist es attraktiver, Knotenpunkte zu vermeiden und direkte Verträge abzuschließen. Wer mehr Kunden hat, kann dabei in der Regel Geld vom kleineren Anbieter verlangen. Das führt aber dazu, dass Datenpakete mitunter über Umwege geschickt werden.

Wird eine Mail beispielsweise von Hamburg nach München geschickt, nimmt diese nicht notwendigerweise den direkten Weg. Abhängig von den beteiligten Anbietern, bei denen die Nutzer ihr E-Mail-Konto haben, wird sie beispielsweise über die USA geleitet.

Ist etwa ein Google-Account im Spiel, ist sowieso davon auszugehen, bislang gilt es aber auch, wenn der Provider Telekom heißt. Das sorgte vor allem in den ersten Monaten nach Beginn der Snowden-Enthüllungen für Diskussionen. Denn wenn sich Daten auf Servern in den USA befinden oder auch nur über US-Server fließen, erleichtert das dortigen Geheimdiensten den Zugriff.

In der Folge wurde die Idee eines sogenannten Schengen-Routing populär: Datenverkehr, bei dem sich Anfangs- und Endpunkt innerhalb des Schengen-Raums befinden – wie die E-Mail von Hamburg nach München –, sollten auch unterwegs diese Grenzen nicht verlassen. Technisch geht es durchaus: Genauso wie derzeit manche Verbindungen aus finanziellen Gründen über die USA geschickt werden, ist auch ein Routing-Eintrag für einen „Schengen-Weg“ möglich.

Kein Gesetz

Zu einer gesetzlichen Regelung, wie sie die Telekom fordert, kam es jedoch nie. Stattdessen musste das Unternehmen deutliche Kritik auch aus der Branche einstecken, weil es sich als großer Provider eben nicht am Datenaustausch am Frankfurter Knotenpunkt De-Cix beteiligte – und so selbst kurze Wege für die Daten verhinderte.

„Uns geht es um mehr Sicherheit für Internetnutzer“, erklärte der bei der Telekom für Datenschutz zuständige Vorstand Thomas Kremer nun. „Dafür muss gewährleistet sein, dass Daten auf möglichst kurzen Strecken vom Sender zum Empfänger gelangen.“ Doch ob das wirklich hilft, ist mittlerweile umstritten.

Auch wenn kürzere Wege erst einmal weniger Angriffspunkte bieten: „Das ist keine effektive Lösung, um etwas gegen Überwachung zu tun“, kritisiert Alexander Sander vom Verein Digitale Gesellschaft. Denn auch am De-Cix werde abgehört. Die Daten nur durch den Schengen-Raum zu leiten sei nicht zielführend, solange auch deutsche oder andere innereuropäische Geheimdienste abhörten.

Gezielte Sicherheitslücken

Im NSA-Untersuchungsausschuss hatte ein Mitarbeiter der Telekom das Unternehmen kürzlich in Bezug auf ein Überwachungsprogramm als „Werkzeug“ des BND bezeichnet. Jan Philipp Albrecht, grüner Europaabgeordneter, sieht ein weiteres Problem: „In den Routing-Systemen können Hintertüren drin sein.“ Gemeint sind gezielte Sicherheitslücken, die Geheimdienste oder auch Kriminelle ausnutzen können, um Nutzer zu überwachen.

Albrecht fordert daher eine Verpflichtung, dass die Unternehmen Hardware nur dann verwenden dürfen, wenn sie sicherstellen können, dass sie frei von Hintertüren ist. Die Wirtschaft lehnt eine Haftung jedoch ab und plädierte stattdessen für eine Art TÜV als unabhängige Prüfstelle.

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