Interview über geplante Parteigründung: „Das ärgert uns wahnsinnig!“

Weil sie von der rot-grünen Regierung seit langem gefrustet sind, wollen Bremens Bürgerinitiativen nun mit einer eigenen Partei bei der nächsten Landtagswahl antreten.

Ein Bagger steht vor einem neu gebauten Mehrfamilienhaus.

Grünflächen auf dem Stadtwerder sind ein Thema der „Initiativen für Bremen“ Foto: Michael Bahlo

taz: Herr Bomhoff, warum wollen Sie eine neue Partei gründen?

Gerhard Bomhoff: Mir geht es wie vielen BremerInnen: Ich weiß nicht mehr, wen ich noch wählen soll! Ich fühle mich bei keiner Partei mehr aufgehoben. Den Frust und die Ohnmacht, die wir in den letzten Jahren in unseren Bürgerinitiativen erlebt haben, führten uns zu der Überlegung, ob wir nicht versuchen sollen, eine Alternative zu bieten.

Was ist das Ziel der „Initiativen für Bremen“, die ja aus zahlreichen Bürgerinitiativen bestehen?

Wir wollen diese Initiativen erst einmal auf einer anderen Ebene zusammen führen. Bürgerinitiativen haben ja das Problem: Haben sie ihr Ziel erreicht, engagieren sich die BürgerInnen meist nicht mehr, haben sie es nicht erreicht aber noch viel weniger. Für viele ist eine Bürgerinitiative schon sehr aufwändig. Da bleibt kaum Zeit, auch noch einen Verbund wie „Initiativen für Bremen“ zu unterstützen, wenn es kein echtes Ziel gibt. Eine Wählergemeinschaft und die Chancen, darüber doch noch politisch Gehör zu finden – das könnte so ein Ziel sein.

Aber eine Bürgerinitiative vertritt Partikularinteressen.

Das wirft man uns immer vor! Es geht aber gar nicht nur darum, hier einen Baum zu behalten oder da eine Straße zu verhindern. Hier gibt es eine große Gruppe von BremerInnen, die nicht mehr wollen, dass über ihren Kopf hinweg entschieden wird. Je nachdem, wie es passt, wird vom Senat oder der Stadt entweder ignoriert, was die Beiräte sagen, oder es dient eben als Argument. Das passiert immer wieder, ist durchsichtig – und macht uns wütend.

Sind sie politikverdrossen?

Das auf jeden Fall.

65, war selbständiger Kaufmann und Sprecher der Bürgerinitiative "Rettet die grüne Lunge Werdersee". 2014 gründete er die "Initiativen für Bremen" mit.

Sind ihre UnterstützerInnen nicht genuine Rot-grün-WählerInnen?

Ich würde uns politisch in der Mitte einordnen, mit Tendenz nach links.

Olaf Dinné, einer der Sprecher ihrer Initiative, bekämpfte einst erfolgreich die Mozarttrasse und war einer der ersten grünen Landtagsabgeordneten. Zuletzt sympathisierte er mit der rechtspopulistischen „Bremen muss leben“-Bewegung. Ist das kein Problem?

Je älter wir werden, desto konservativer werden wir. Wenn auch Konservativere bei uns mitmachen, heißt das ja nicht, dass wir völlig nach rechtsaußen abdriften und etwa mit der AfD gemeinsame Sache machen. Das glaube ich auch nicht: Die Leute bei uns kommen aus allen Schichten und Lagern.

Was verbindet „Rettet die Grüne Lunge Werdersee“ mit „Grünes St. Magnus“?

In beiden Fällen gibt es Investoren, die hier in Bremen eine unheimliche Macht haben und von der Politik unterstützt werden. Und so entstehen am schönen Werdersee 18 Meter hohe Häuser direkt hinter dem Deich – und die Senatsbaudirektorin darf ungestraft sagen: „Das passt sich in die Landschaft ein“. Das ist doch komisch! Und wenn dann Herr Sakuth alle Grundstücke schon gekauft hat, drei Jahre bevor aus diesem Ackerland ein Bauland wird, hat das schon ein Geschmäckle…

…weil Peter Sakuth nicht nur Geschäftsführer einer Baufirma ist, sondern auch ehemaliger SPD-Innensenator?

Er sitzt auch der SPD-Kommission vor, die darüber entscheidet, wer welchen Listenplatz bekommt. Er hat also unmittelbaren Einfluss auf die Zusammensetzung der Bau-Deputation. Ein ehemaliger Senator kann nicht Investor sein: Das passt doch nicht! Das geht uns allen über die Hutschnur! Und wenn man dann die Leute darauf anspricht, dann heißt es, das sei doch in Bremen immer so gewesen. Das wollen wir ändern.

2014 wollten sie per Volksbegehren Bremens Grünflächen vor der Bebauung schützen. Ist das ihre Kernforderung?

Das ist ein wesentlicher Punkt, der alle Initiativen eint, die sich bei uns engagieren.

Wo sollen dann all die Wohnungen gebaut werden, die Bremen braucht?

Wir haben mit unserem Projekt „Bauen ohne Flächenfraß“ durchaus Alternativen angeboten. Wir haben so viele Flächen in Bremen, die noch nicht bebaut sind, aber schon versiegelt, dass wir nicht die letzten schönsten Grünflächen angreifen müssen. Für Investoren wie Herrn Sakuth ist es aber natürlich gar kein Problem, eine Wiese am Werdersee zu bebauen. Das verkauft sich auch ohne vierfarbige Prospekte sofort. Für eine ehemaligen Industriebrache in Hemelingen müsste er sich was anderes einfallen lassen.

Bremst das den Wohnungsbau aber nicht dennoch stark aus?

Wir sind ganz bestimmt nicht gegen Wohnungsbau. Die Frage ist nur: Was bringt es, wenn wir alle Grünflächen bebauen? Wer will denn in einer Steinwüste leben? Und das Klima verändert sich – dem muss man doch auch Rechnung tragen. Da kann man nicht einfach sagen: „Wiesen weg!“ Ich möchte mir in 20 Jahren von meinen Enkeln nicht vorwerfen lassen müssen, ich hätte nichts getan.

Es gibt ja Bürgerbeteiligung

Der grüne Bausenator Joachim Lohse sagt: Es ist eine Bürgerbeteiligung, keine Bürgermitentscheidung. Das ärgert uns wahnsinnig! Wenn die Leute nur informiert werden – und dann auch noch falsch oder unvollständig – kann man sich das auch schenken. Das kann ich auch in der Zeitung nachlesen.

Wie sollen Bürgermitentscheidungen aussehen?

Als die Leute am Werdersee das erste Mal aufgefordert wurden, sich zu beteiligen, wurde uns eine komplette Planung vorgelegt. Da war schon alles eingetütet! Und das Einzige, was sich nach langen Beteiligungsprozessen geändert hat, war die Tatsache, dass es mehr Wohnungen geworden sind und noch höher gebaut wurde. Das Einzige, was man da als Bürger noch mit entscheiden kann, ist die Farbe der Fahrradbügel. Man tut so, als ob man die BürgerInnen beteiligt, aber es ist alles schon klar. Bürgerbeteiligung muss doch viel früher ansetzen! So haben wir eine grüne Partei, die Platanen abhackt, die grüne Wiesen bebaut und ihr grünes Ansinnen längst aufgegeben hat. Das einzige, was die Politik zugänglich macht, ist die Angst, nicht gewählt zu werden.

Wenn Sie 2019 ins Parlament einziehen: Wächst dann nicht die Gefahr einer großen Koalition?

Aber das kann ja nicht bedeuten jetzt nichts zu machen! An der SPD werden wir nichts ändern und an den Grünen auch nicht. Im Parlament hätten wir wenigstens die Möglichkeit, noch etwas mehr zu erfahren. Allein das wäre es schon wert. So werden wir immer als Spinner mit Partikularinteressen abgetan.

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