Interview zum Familiennachzug: „Integration verliert ihre Bedeutung“

Geflüchtete, deren Familien nicht nachziehen dürfen, wollen vier Tage lang vor dem Bundestag protestieren. Mohamad Malas erklärt, warum.

Jemand hält ein Schild hoch, auf dem "Ich vermisse meine Familie" steht

Bei einer Demo für Familiennachzug in Berlin, März 2017 Foto: dpa

taz: Herr Malas, Ihr Verein Familienleben für alle protestiert ab heute vier Tage lang vor dem Bundestag gegen die Neuregelung des Familiennachzugsgesetzes. Was ist Ihr Ziel?

Mohamad Malas: Wir möchten das Gesetzesvorhaben verhindern. Das neue Gesetz bewirkt, dass der Familiennachzug für subsidiär Schutzbedürftige ab August auf 1.000 Personen monatlich beschränkt wird. Für uns ist das eine Ungerechtigkeit. Mit Menschenrechten spielt man nicht. Deshalb werden wir versuchen, vier Tage lang spielerisch darauf aufmerksam zu machen. Und das direkt vor denjenigen, die darüber entscheiden.

Worin besteht die Ungerechtigkeit?

Mit der eigenen Familie zu leben ist für mich ein Grundrecht. Wenn man damit anfängt, uns solch ein Grundrecht wegzunehmen, werden uns bald noch andere Rechte genommen. Für mich konkret bedeutet es, dass ich meine Frau, die ich seit Jahren nicht mehr gesehen habe, weiterhin nicht sehen werde.

Was fordern Sie von der Bundesregierung?

Dass es keine Einschränkungen beim Familiennachzug gibt. Einige von uns haben ihre Familien seit Jahren nicht mehr gesehen. Das muss endlich beendet werden. Subsidiär Schutzbedürftige haben nichts falsch gemacht, sie sind auch nicht weniger wert als andere Flüchtlinge. Ich habe das Gefühl, dass wir dafür bestraft werden, hier zu sein.

Welche Konsequenzen befürchten Sie bei einer Einschränkung des Familiennachzugs vor allem für minderjährige Schutzbedürftige?

33, flüchtete vor drei Jahren aus Syrien, Sprecher der Initiative Familienleben für alle, die für uneingeschränkten Familiennachzug kämpft.

Viele Jugendliche wachsen ohne ihre Eltern auf. Sie werden keine Loyalität zur Bundesrepublik entwickeln, weil sie sich verraten fühlen. Das verhindert ihre Integration.

Der bayerische Innenminister behauptet, dass die Integrationsfähigkeit Deutschlands nicht überfordert werden dürfe.

Es ist doch wichtig, sich um diejenigen zu kümmern, die bereits hier sind. Wir werden hier arbeiten, Steuern zahlen, während unsere Familien in Kriegsgebieten in Syrien oder Zeltlagern in der Türkei oder im Libanon festsitzen.

Welche Konsequenzen hat die Neuordnung des Familiennachzugs denn Ihrer Meinung nach wirklich für die Integration subsidiär Schutzbedürftiger?

„Es ist doch wichtig, sich um diejenigen zu kümmern, die bereits hier sind“

Sie führt dazu, dass Integration eigentlich keine Bedeutung mehr für uns hat. Sie erscheint sinnlos, die Motivation ist verloren gegangen. Aber wir werden weiter für unsere Grundrechte kämpfen, auch wenn das Gesetz in Kraft tritt. Wir werden hier bleiben und unsere Rechte einfordern. Union und SPD erfüllen mit diesem Gesetz Forderungen der AfD. Das ist keine gute Entwicklung.

Wie bewerten Sie die Kriterien, nach denen die 1.000 Personen ausgesucht werden sollen, die dann zu ihren Familien nach Deutschland reisen dürfen?

Keiner weiß, was die Kriterien genau bedeuten. Es ist eine Einzelfallprüfung, es fehlen klare Regeln. Unsere Grundrechte werden mit diesem Gesetzesvorhaben eingeschränkt. Der zuständige Beamte kann darüber entscheiden, ob er den Familiennachzug erlaubt. Die angeführten humanitären Gründe sind zu undurchsichtig.

Zusätzlich zum festen Kontingent soll es eine Härtefallprüfung geben. Im Zweifel sind es dann mehr als 1.000 Personen, die zu ihren Familien nach Deutschland dürfen.

Die Regelung ist viel zu hart. Kaum jemand wird davon profitieren.

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