Islamophobe gegen Schoko-Kalender: Hass zu Weihnachten

Islamhasser mobilisieren gegen „muslimische“ Adventskalender und gegen Halal-Fleisch im Supermarkt. Die Hersteller sind überrascht.

Eine Frau schaut durch eine Scheibe auf mehrere Adventskalender

Adventskalender mit Schnee und Tannen – so wie es damals an Jesu Krippe wirklich, wirklich aussah. Foto: dpa

BERLIN taz | Es gibt Ängste und Sorgen, die sind so absurd, dass man sie kaum ernst nehmen mag. Aber man muss es wohl. Als Pegida-Gründer Lutz Bachmann vor ziemlich genau einem Jahr seine Motive darlegte, in Dresden gegen eine angeblich drohende „Islamisierung des Abendlandes“ auf die Straße zu gehen, führte er als Beispiel einen Berliner Weihnachtsmarkt an, der in Wintermarkt umbenannt worden sei – angeblich aus Rücksicht auf die religiösen Gefühle von Muslimen. Die Story hatte so in der Bild-Zeitung gestanden. Bachmann sah darin eine „schrittweise Abschaffung christlichen Kulturgutes“ und ein drohendes Ende des Christstollens.

Dass sich die Dinge in Wirklichkeit ganz anders verhielten, war den Islamhassern schon damals egal – sie witterten eine muslimische Weltverschwörung. Das musste jetzt auch die Schweizer Schokoladenfirma Lindt-Sprüngli erfahren, die seit zehn Jahren einen Adventskalender produziert, der mit orientalischen Motiven à la 1001 Nacht spielt: Die Vorderseite ziert eine Art Sultanspalast, davor stehen Männer in arabischer Tracht und auf Kamelen.

Man kann sich darüber streiten, ob die „Visualisierung der damaligen lokalen Lebensumstände“ in der „orientalischen Welt zu Christi Geburt“ – so das Statement von Lindt – so gelungen ist: Tatsächlich erinnert das Motiv eher an das Bagdad aus den Märchen als an Bethlehem unter römischer Herrschaft, mehr an den kleinen Muck als an das Jesuskind in der Krippe. Aber darum geht es den Islamhassern gar nicht.

Seit das antimuslimische Hetzportal „pi-news“ unter der Überschrift „Lindt islamisert den Advent“ am 3. Dezember über den Schokoladenkalender berichtete, steht das Telefon bei Lindt-Sprüngli nicht mehr still, und die Social-Media-Administratoren der Firma haben alle Hände voll zu tun. In Hunderten von Online-Kommentaren empören sich Besucher über „Werbung für eine archaische Gesellschaftsordnung“ und angebliche Islam-Propaganda und drohen mit einem Boykott.

Beanstandeter Lindt-Kalender. Foto: Lindt

Bei Lindt ist man über diese Hasslawine überrascht und erschrocken. „Die haben das losgetreten“, sagt eine Sprecherin von Lindt über „pi-news“. Es sei noch zu früh zu sagen, wie sich die Kampagne des Hetzportals auf den Handel auswirke und ob das Unternehmen den Kalender im nächsten Jahr noch einmal auf den Markt bringen werde, sagte sie der taz. „Es geht nicht um den Adventskalender“, glaubt die Lindt-Pressesprecherin aber auch. „Das spiegelt eher die angespannte Gefühlslage zurzeit“. Zwar sei der Adventskalender nur in Deutschland erhältlich, aber auch aus der Schweiz und Österreich habe sich vereinzelt Protest geregt.

Kampagne gegen Halal-Fleisch

In Österreich erregt derweil ein vergleichbarer Protest die Gemüter. Nachdem die muslimfeindliche Hetzseite „unzensuriert.at“ angeprangert hatte, dass die Supermarktkette Spar in ihren Wiener Filialen testweise auch Halal-Fleisch angeboten habe, ging ebenfalls ein Shitstorm auf das Unternehmen nieder. Auf Facebook und Twitter beschwerten sich Fremdenfeinde, Islamhasser und angebliche Tierschützer, die Mitarbeiter der Supermarktkette wurden teilweise übel beschimpft. Da half es auch nichts, dass die Tiere vor ihrer Schlachtung betäubt wurden, wie Spar zu betonen nicht müde wurde. Nach dem religiösen Ritus werden die Tiere in der Regel nicht betäubt, aber es sind auch Ausnahmen zugelassen.

Das Unternehmen zeigte sich „traurig und schockiert“ und sprach von „unbegründeten (!) Vorwürfen“, knickte aber vor den Protesten ein und stoppte vorerst den Verkauf. Der Chef der rechtspopulistischen „Freiheitlichen Partei Österreichs“, Heinz Christian-Strache, dagegen jubelte: „Bürgerprotest zahlt sich aus“, frohlockte er auf seiner Facebook-Seite.

Für Europas Rechtspopulisten ist Halal-Fleisch – metaphorisch gesprochen – ein gefundenes Fressen, weil sich damit antimuslimische Ressentiments mit unverfänglichen Argumenten wie Tierschutz verbinden lassen. In Dänemark und den Niederlanden haben sie bereits erfolgreiche Kampagnen gegen Halal-Fleisch geführt und dafür gesorgt, dass die rituelle Schlachtung in ihren Ländern verboten wurde. In Frankreich setzt sich der Front National dafür ein, dass Halal-Fleisch aus den Schulkantinen verbannt wird, und auch der Konservative Nicolas Sarkozy hat sich diese Forderung inzwischen zu eigen gemacht.

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