Jahresansprache von Russlands Präsident: Halbwahrheiten zum Jahresausklang

Wladimir Putin zeichnet bei der Jahrespressekonferenz ein allzu positives Bild der Wirtschaftslage. Die Kritik am Westen fällt verhalten aus.

Russlands Präsident Wladimir Putin bei der Jahrespressekonferenz am Donnerstag in Moskau

Ganz Ohr: Russlands Präsident Wladimir Putin bei der Jahrespressekonferenz am Donnerstag in Moskau Foto: reuters

MOSKAU taz | Russlands Präsident Wladimir Putin ist immer trefflich gelaunt, wenn er sich der Öffentlichkeit stellt. Die 14. Jahrespressekonferenz im Moskauer Internationalen Handelszentrum brach zwar nicht den Rekord von vier Stunden und mehr als 40 Minuten im Jahr 2008. Mit 3 Stunden vierzig war es für den 66-Jährigen jedoch ein Achtungserfolg. Für Rekorde sorgten die Korrespondenten, die mit 1.702 Anmeldungen so viele waren nie zuvor.

Der Kreml hatte schon vorher darauf hingewiesen, Neuerungen seien in diesem Genre nicht vorgesehen. Daran hielt sich der Präsident auch. Wie immer begann der Kremlchef mit einem Vortrag über die statistischen Erfolge der russischen Wirtschaft. Die Realeinkommen der Bevölkerung seien 2018 um ein halbes Prozent gestiegen. Auch das Bruttoinlandsprodukt (BIP) verspreche gegen Jahresende ein Wachstum von 1,8 Prozent. Die Arbeitslosigkeit sei auf einem Rekordtief.

Nächtelang wäre bei Wladimir Putin das Licht nicht ausgegangen, berichteten kremlnahe Medien. Stundenlang hätte sich der Staatschef durch Akten und Berichte der Ministerien gegraben, um ein richtiges Bild des Landes zu erhalten.

Was auf den ersten Blick herauskam, war eine geschönte Wahrnehmung der Wirtschaft. Weder das Realeinkommen der Bevölkerung wächst noch sieht die Zukunft rosig aus, meldeten andere russische Medien. Auch die Auswirkungen der Sanktionen auf Russlands Wirtschaft stellen sich nicht nur vorteilhaft dar.

Sanft gestimmt

Insgesamt war Putin in diesem Jahr sanft gestimmt. Selbst dem westlichen Ausland wollte er nicht auf die Füße treten. Zwar kritisierte er die Aufkündigung des INF-Vertrages seitens der USA. Bis Februar erhielt Russland Zeit auf Beanstandungen der USA und Nato zu reagieren, die Vertragskündigung womöglich noch zu beeinflussen.

Auch die westlichen Verbündeten der USA, die am INF-Vertrag festhalten möchten, kritisierten Moskau, das Grundelemente des INF-Vertrags unterlaufen hätte.

Putin warnte vor der wachsenden Gefahr eines Atomkriegs. Der könne zur „Vernichtung der ganzen Zivilisation führen, wenn nicht des ganzen Planten“, warnte er. Als hätte Russland mit der Verschärfung nichts zu tun. Ebenso bedauerte er, dass keine Gespräche mehr stattfänden, die die Raketenrüstung eingrenzten. Dafür seien vor allem die USA verantwortlich.

Noch etwas stimme nachdenklich: Die Schwelle für den Einsatz von Atomwaffen sinke, klagte der Kremlchef. Nun ist es aber Russland, das die Möglichkeit eines lokalen Einsatzes nuklearer Waffen geringer Reichweite zumindest theoretisch erwog. Denn die konventionelle Rüstung Russlands ist der des Natobündnisses nicht mehr gewachsen. Putin erzählte mal wieder nur die halbe Wahrheit.

Das galt auch für den Zwischenfall in der Meerenge von Kertsch, wo die russische Marine vor einem Monat auf ukrainische Militärboote schoss und 23 Matrosen festnahm. Die russischen Darstellungen sind alle so konstruiert, dass sie nicht widerlegbar sind: Wo die Krim und die umliegenden geraubten Gewässer russisch sind, gelten die Ukrainer als Eindringlinge.

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