Journalistin über ihre Freilassung: „Ich staune über den Optimismus“

Nach acht Monaten Haft ist sie frei. Andere Deutsche bleiben in der Türkei inhaftiert. Meşale Tolu über die Taktik der türkischen Regierung.

Am 10. Januar 2019 muss Meşale Tolu erneut vor Gericht Foto: dpa

Vor mehr als einem Jahr saß ich noch im Frauengefängnis Bakırköy in Istanbul. Nun bin ich wieder zu Hause in Deutschland. Derzeit ist davon die Rede, dass sich die Türkei und Deutschland wieder annähern. Die Türkei sei auf dem Wege der Besserung, heißt es, sie werde deshalb einige Gefangene freilassen.

Ich staune über diesen Optimismus. Mir kommt mein Freund Adil Demirci in den Sinn, den ich seit mehreren Jahren kenne. Zuletzt sahen wir uns zwei Tage vor seiner Verhaftung.

Er besitzt sowohl den deutschen als auch den türkischen Pass und arbeitete wie ich gelegentlich für die Nachrichtenagentur ETHA. Heute sitzt er im Hochsicherheitsgefängnis in Silivri, genau dort, wo der Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner, der Journalist Deniz Yücel und Hunderte anderer politischer Gefangener eingesperrt waren.

Adil wird am 14. Februar 2019, nach zehn Monaten im Gefängnis, das zweite Mal vor Gericht stehen. Schon im Juli dieses Jahres hatte ein Gericht in aller Stille einen anderen Deutschen zu fast zehn Jahren Haft wegen angeblicher Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung verurteilt. Ist das die neue Strategie des Staates? Einen gehen lassen, alle Blicke in seine Richtung lenken und gleichzeitig andere inhaftieren und bestrafen?

Allzu oft geschah dies in den letzten Monaten. Wurden die Journalisten Nazlı Ilıcak, Ahmet Altan und Mehmet Altan nicht genau am Tag der Freilassung Yücels zu erschwerter lebenslanger Haftstrafe verurteilt? Geriet der österreichische Journalist Max Zirngast nicht zwei Wochen, nachdem mein Ausreiseverbot aufgehoben wurde, in Polizeigewahrsam?

Wie kann man bloß so geblendet sein von der sogenannten Gutmütigkeit der türkischen Regierung? Tatsache ist: Am System der Alleinherrschaft Erdoğans hat sich nichts verändert. Er hat mehr Macht als vorher, die Repressionen sind stärker geworden. Wenn die Regierung Journalisten laufen lässt, fängt sie andere, weniger prominente, ein. Dabei bewahrt sie nicht einmal den Schein der Rechtsstaatlichkeit. Denn die Entscheidungen über die Verhaftungen sind genauso politisch wie die über die Freilassungen.

Das neue Journal: Eine frühere Version dieses Artikels ist im zweiten gazete-Journal erschienen. Sie können das Magazin unter diesem Link bestellen oder als E-Paper hier im E-Kiosk downloaden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Das finden Sie gut? Bereits 5 Euro monatlich helfen, taz.de auch weiterhin frei zugänglich zu halten. Für alle.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.