Jürgen Trittin über Werder und Wiesenhof: "Es gibt eben Grenzen"

Jürgen Trittin hat sein Ehrenamt als Nachhaltigkeitsbotschafter bei Werder Bremen niedergelegt - wegen des neuen Trikot-Sponsors Wiesenhof Dessen Geschäftsmodell werde zu Recht kritisiert.

Will dem Fußball verbunden bleiben, nur Wiesenhof nicht: Jürgen Trittin. Bild: ap

58, lebt in Göttingen, ist aber in Bremen geboren und zur Schule gegangen. Seit 2009 Grünen-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, davor war er 1998-2005 Bundesumweltminister und 1990-1994 niedersächsischer Europa-Minister.

taz: Herr Trittin, war das Ihr allererster Rücktritt?

Jürgen Trittin: Oh, das weiß ich gar nicht. Aber Scherz beiseite: Ich habe entschieden, nicht mehr als Umweltbotschafter für Werder Bremen zur Verfügung zu stehen…

Sie hatten das Amt erst vor einem knappen halben Jahr angetreten.

Das ist richtig. Ich bin im März vom Verein gefragt worden, und hatte spontan zugesagt, weil ich schon seit meiner Schulzeit Fan von Werder Bremen bin. Aber ich halte es für unvereinbar, für Nachhaltigkeit zu werben und sich von einem definitiv nicht nachhaltigen Massentierhalter sponsern zu lassen. Deshalb habe ich der Geschäftsführung klargemacht, dass ich dafür nicht mehr zur Verfügung stehe.

Aber – ist der Anlass dafür wirklich so zwingend?

Ja. Es gibt eben Grenzen.

Und Wiesenhof ist der Inbegriff des Bösen?

Wiesenhof ist neben Rothkötter einer der Großen seiner Branche. Das Geschäftsmodell geht so: Mit importierten Futtermitteln, in der Regel auf abgeholzten Regenwaldflächen angebaut, werden in Massentierhaltung Hühnerbrüste produziert. Die übrigen Teile der Hühner werden in Schwellenländer exportiert und untergraben dadurch massiv die Agrarmärkte. Das ist ein Geschäftsmodell, das zurecht in der Kritik steht, gerade auch in Norddeutschland und insbesondere in Niedersachsen, wo es Menschen scharenweise in Bürgerinitiativen treibt. Der Protest dagegen ist auch nicht nur eine Haltung von Städtern, sondern eine, die sich immer mehr auf dem Land verbreitet, wo sich Bauern eben nicht zu Lohnmästern herabwürdigen lassen wollen. Das ist ein massiver ökologischer Konflikt, der durch Dürren und Ernteausfälle an Schärfe sogar noch zunimmt…

Na, Werders vorheriger Sponsor, eine Bank, galt ja auch nicht als vorzeigbar: Der – methodisch zugegebenermaßen zweifelhafte – Nachhaltigkeitskompass der Serviceplan-Agentur listet die auf Platz 88, den Vorgänger, einen Kleidungsdiscounter auf Platz 100, an vorletzter Stelle – und Wiesenhof immerhin auf 87. Das ist doch ein Aufstieg?

Ich richte mich doch nicht nach irgendwelchen Listen, sondern nach dem, was das Konkrete und das Akute ist. In Norddeutschland stehen Tausende gegen das System Wiesenhof auf, gegen diese Form der Massentierhaltung und sagen: Das wollen wir nicht mehr. Hinzukommen noch die Vorwürfe der Tierquälerei…

da sind die strafrechtlichen Ermittlungen noch nicht abgeschlossen.

Vor diesem Hintergrund kann sich Werder doch nicht hinstellen und sagen: Wir freuen uns, einen Sponsor aus der Region zu haben. Es gibt keinen Grund, stolz auf Wiesenhof zu sein. Diese agrarindustrielle Produktionsweise ist nicht nachhaltig. Punkt.

Aber wo ist denn genau die Grenze? Auch Dortmunds Sponsor macht zwei seiner 14,5 Milliarden Euro Umsatz im aggro-industriellen Bereich und hält Beteiligungen an Steinkohlekraftwerken…

Ohne Evonik jetzt schön reden zu wollen – wenn jemand Düngemittel herstellt und dadurch sein Geld verdient, ist das für mich etwas anderes, als eine direkte Beteiligung in der so genannten Veredelungs-Wirtschaft oder, anders ausgedrückt: der industriellen Massentierhaltung. Das bleibt eine Abwägung.

Und eine letztlich emotionale Entscheidung?

Nein, eine sehr rationale und natürlich meine persönliche Entscheidung. Bei Schalke würde ich zum Beispiel aus anderen Gründen darüber nachdenken. Nicht, weil ich Gas so fürchterlich finde – das werden wir noch eine ganze Zeit lang brauchen–, sondern, weil ich mich schon fragen würde, ob ich für den Staatskonzern eines immer diktatorischer auftretenden Regimes Werbung machen möchte.

Sie wechseln aber nicht zu den Mainzern oder Leverkusen, sondern halten Werder die Treue?

Ja, deshalb habe ich ja geschrieben: Lebenslang Werder – keinen Tag Wiesenhof.

Sie loben in Ihrem Brief ja auch den sportlichen Aufbruch. Aber lässt der sich denn so ohne Weiteres von den fleischindustriellen Millionen trennen – die ja auch von der sportlichen Leitung mitgetragen werden?

Klar. Der sportliche Aufbruch hatte ja schon begonnen, als Werder noch gar keinen neuen Sponsor hatte. Die neuen Trikots konnten die Fans auch noch eine ganze Zeit lang ohne den Wiesenhof-Aufdruck bestellen.

Ihr Engagement bei Werder lag ja ziemlich im grünen Trend – Claudia Roth kooperiert ja auch ganz viel mit dem DFB, und in Bremen ist der Verbandspräsident ein grüner Abgeordneter. Ist Ihr Rückzug jetzt das Scheitern einer Strategie?

Das ist keine Strategie. Ich bin wirklich schon als Kind Werder-Fan gewesen. Sonst hätte ich das nicht gemacht.

Aber wenn ich mir aber die Tabelle beim von Claudia Roth initiierten DFB-Umweltcup anschaue, dann spielen da Vereine wie der SV Knudde Giekau aus Plön vorne mit – und kein einziger großer: Wie grün kann Profi-Fußball überhaupt sein?

Fußball im Profi-Bereich ist eine Massenveranstaltung. Und natürlich erzeugen Massenveranstaltungen in großem Maße Treibhausgase, sie erzeugen Verkehr – und insofern eine Klimabelastung. Es gibt aber viele Vereine – und dazu zählt auch Werder – die sich in der Anlage, beim Ausbau und im Betrieb des Stadions Mühe geben. Die beispielsweise durch vernünftige Abfallmanagementsysteme dafür sorgen, dass kein unnötiger Müll entsteht.Großes Vergnügen mit guten Fußball mit möglichsten kleinen ökologischen Folgeschäden. Das ist das Anliegen. Dafür mache ich mich gerne stark.

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