Jürgen Trittin über den Fiskalpakt: „War das unverantwortlich?“

Der Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin verteidigt sein Ja zum Fiskalpakt in Europa gegenüber Kritikern in der eigenen Partei. Und äußert den Wunsch nach Neuwahlen.

Sparen ist eine Tugend, das wissen wir spätestens seit dem Weltspartag. Bild: dapd

taz: Herr Trittin, stimmt es, dass Kanzlerin Merkel mit Neuwahlen gedroht hat, falls die Opposition dem Fiskalpakt nicht zustimmt?

Jürgen Trittin: Leider nicht. Neuwahlen hätten wir sofort mitgemacht. Aber Angela Merkel kennt die Umfragen: Rot-Grün hat eine Mehrheit.

Nach der Einigung zwischen Regierung und Opposition schreiben nun alle Zeitungen: „Sieg für Merkel“.

Wieso Sieg? Die deutsche Regierung muss ihre bisherige Analyse der Eurokrise als Staatsschuldenkrise in den Schrank stellen. Stattdessen stellt sie per Beschluss fest, dass es sich um eine Finanzkrise handelt.

Es werden neue Steuern, die Finanztransaktionssteuer, eingeführt, und statt zu sparen, wird Geld für Investitionen ausgegeben.

Die Finanztransaktionssteuer ist nicht Ihr Erfolg, sondern von der Regierung längst in der mittelfristigen Finanzplanung eingeplant.

Da stand sie, weil die Ablehnung in der Koalition sowieso gesichert war. Nach 20 Jahren Kampf haben wir das nun durchgesetzt.

57, ist seit 2009 Fraktionsvorsitzender der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Seiner Partei gehört er bereits seit 1980 an.

Die Links-Grünen nennen Sie „unverantwortlich“. Reinhard Bütikofer und Sven Giegold sagen, das Europäische Parlament wird ausgehebelt. Flügelübergreifend herrscht Empörung, weil Sie ohne Rücksprache verhandelt haben.

Was ist unverantwortlich an europäischen Schuldenbremsen? Beim Fiskalpakt wird im Kern doch nur in nationales Recht übertragen, was bereits heute europäische Rechtslage ist. Dieses Europa loben die gleichen Grünen. Die NRW-Grünen haben gerade voller Stolz eine Schuldenbremse in die Landesverfassung geschrieben. War das unverantwortlich?

Die Botschaft des Fiskalpakts ist: Die Staaten müssen sparen. Sparen aber verschärft die Rezession, wie Griechenland und Spanien zeigen.

Mit dem Kompromiss zwischen Opposition und Regierung wurde gerade ein Kurswechsel weg von dieser einseitigen Sparpolitik erkämpft. Der Fiskalpakt wurde um eine andere Steuerpolitik und um Wachstumsinvestitionen ergänzt.

Außerdem entfaltet er selbst seine Wirkung nicht vor 2014. Die jetzige Rezession und die jetzigen Sparvorgaben haben damit nichts zu tun. Und Schuldenbegrenzung führt auch zu Sinnvollem: Wenn die Kommission jetzt Frankreich die Einführung von Ökosteuern vorschlägt, kann ich das nicht falsch finden.

Die Grünen forderten einen „Altschuldentilgungsfonds“, damit die Zinsen für Spanien und Italien sinken. Jetzt kommt der Fiskalpakt – ohne Fonds.

Stimmt. Da konnten wir die Blockade der Bundesregierung nicht durchbrechen. Das führt aber nicht zur Ablehnung des Fiskalpaktes. Das ist mir zu taktisch und zu wenig europäisch. Der Schuldentilgungspakt würde ohne Schuldenbremsen nicht funktionieren. Im Übrigen wird der Druck der Krise die Bundesregierung zum Handeln zwingen. Da kommt Angela Merkel mit ihrer Verweigerungshaltung vom Regen in die Traufe. Wenn man eine Pleite von Spanien und Italien verhindern will, aber den Altschuldentilgungsfonds ablehnt – dann bleibt nur noch die Europäische Zentralbank. Sie kann direkt Staatsanleihen aufkaufen, oder der Rettungsschirm ESM erhält eine Banklizenz und besorgt sich Geld bei der Zentralbank. So wird es kommen.

Und wenn der Grünen-Länderrat den Fiskalpakt ablehnt?

Grüne sind für Investitionen, die Finanztransaktionssteuer, und 90 Prozent der grünen Wähler sind für den Fiskalpakt. So wird der Länderrat entscheiden.

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