Junge benachteiligt: Beamte wollen mehr Sold sehen

In Niedersachsen zahlen Land und Städte jüngeren Beschäftigten zu wenig. Schon bald könnten deshalb Nachzahlungen in Millionenhöhe fällig werden.

Muss seine Beamtinnen und Beamten womöglich besser bezahlen: Finanzminister Schneider (SPD). Bild: dpa

HANNOVER taz | Das Land Niedersachsen und seine Städte und Gemeinden müssen ihren Beamtinnen und Beamten möglicherweise Sold in dreistelliger Millionenhöhe nachzahlen. „Da kommt einiges zusammen“, sagt etwa der Geschäftsführer des Gesamtpersonalrats der Landeshauptstadt, Matthias Schrade – und schätzt, insgesamt könnten Land und Kommunen bei den Beamten „mit 150 Millionen Euro und mehr“ in der Kreide stehen.

Grund dafür sind verschiedene Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) wie des Bundesverwaltungsgerichts (BVG), die sich mit einer Altersdiskriminierung ausgerechnet jüngerer Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes beschäftigt haben. Der Tenor der Urteile:

Die Höhe der Beamtenbesoldung soll nicht vom Lebensalter, sondern von der dienstlichen Erfahrung der Beschäftigten abhängen. In Niedersachen aber ist genau das bis heute nicht der Fall: Unerfahrene Ältere werden aktuell noch immer besser bezahlt als Jüngere, die schon länger im Dienst sind.

Das Landesfinanzministerium räumt diesen Fehler freimütig ein: „Die niedersächsische Besoldung entspricht nicht dem Europarecht“, so eine Sprecherin von SPD-Finanzminister Peter-Jürgen Schneider zur taz.

Die Altersdiskriminierung jüngerer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt Gerichte auf nationaler und europäischer Ebene bereits seit mehr als acht Jahren.

2006 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) geurteilt, im öffentlichen Dienst sei die Erfahrung, nicht das Alter für die Höhe der Bezahlung ausschlaggebend

Dies gelte auch für Beamtinnen und Beamte, stellte der EuGH 2011 klar.

Entschädigungen von bis zu 100 Euro im Monat sprach das Bundesverwaltungsgericht Beamten im Oktober zu - teilweise rückwirkend bis 2006 (Az: BVerG 2 C 3.13).

Sowohl die bis Anfang 2013 regierende schwarz-gelbe Vorgängerregierung wie das amtierende rot-grüne Kabinett des Sozialdemokraten Stephan Weil habe „abwarten wollen, wie die Rechtssprechung genau aussieht“, hieß es – die genaue Urteilsbegründung des BVG wird mit Spannung erwartet und könnte heute veröffentlicht werden. Die Landesregierung arbeite „mit Hochdruck“ an einer rechtssicheren Lösung.

In Hannover rechnet der Personalrat der klammen Landeshauptstadt unterdessen mit fälligen Soldnachzahlungen von bis zu acht Millionen Euro – dabei beziffert Kämmerer Marc Hansmann das Defizit allein für das laufende Jahr auf 60 bis 80 Millionen Euro. Mehr für ihre Beamten zahlen müssten aber auch alle anderen niedersächsischen Kommunen, Kreise – und das Land selbst:

Beim Finanzministerium haben schon heute mehr als 17.500 Beamte Widerspruch gegen ihren Besoldungsbescheid eingelegt; allein bei der Stadt Wolfsburg sollen es mehr als 800 sein.

Die kommunalen Spitzenverbände geben sich trotzdem noch entspannt. Es sei „zu prüfen, ob das ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das das Besoldungsrecht Sachsens und Sachsen-Anhalts betrifft, 1:1 auf Niedersachsen anzuwenden ist“, hofft etwa Stefan Wittkop, Beigeordneter für Innen- und Kommunalpolitik beim Städtetag.

Die Gewerkschaft Ver.di, die auch viele Beamte vertritt, ruft ihre Mitglieder dagegen zum Handeln auf: „Wir empfehlen Beschäftigten, ihre Ansprüche geltend zu machen“, sagt Kommunalexperte Martin Peter. Sollten Land und Kommunen nicht rückwirkend zahlen wollen, meint auch der Personalrat Schrade, müsse eben vor Gericht geklagt werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.