Jurist über Parteienfinanzierung: „Wir brauchen ein Stiftungsgesetz“

Parteien dürfen wirtschaftlich tätig werden – auch über Unternehmen, sagt Martin Morlok. Es braucht aber eine gesetzliche Regelung dafür.

Verschlungen und in die Tiefe: Es braucht mehr Transparenz für die Stiftungsfinanzierung. Bild: dpa

taz: Die FDP hat sich in den vergangenen 25 Jahren ein weit verzweigtes Firmennetz aufgebaut mit Beteiligungen und Tochterfirmen. Mal ganz naiv gefragt: Ist das einfach naheliegend für eine Partei, die die Interessen von Unternehmern vertritt?

Martin Morlok: Schauen wir mal die SPD an, die hat auch ein großes Netzwerk an Firmen: die alten Pressebetriebe. Bei der SPD hat das einen historischen Hintergrund: Im Kaiserreich durften die Abgeordneten lange Zeit keine Diäten erhalten. Deshalb konnten es sich nur reiche Leute leisten, Parlamentarier zu werden.

Das hat die SPD solidarisch aufgefangen, mit Mitgliedsbeiträgen und einer Parteipresse. Die großen Parteien hatten die bürgerliche Presse sowieso auf ihrer Seite. Die Arbeiterbewegung musste sich da erst mal eine eigene Presse aufbauen. Das hängt mit der Sozialstruktur der Partei zusammen - das kann und soll man nicht ändern.

Die Frage dahinter: Wie viel Nähe zur Wirtschaft darf eine Partei pflegen? Oder: sollte sie pflegen dürfen?

Jede Nähe! Dass eine Partei Interessen vertreten darf, ist doch völlig normal - ob sie sich jetzt für Unternehmen einsetzt, für Arbeitnehmer oder für die Umwelt. Und dass ich spenden darf für eine Partei, die meine Interessen vertritt, ist auch völlig legitim. Aber diese Spenden müssen offengelegt werden.

Bei der FDP kam vieles erst durch Recherchen von Monitor und stern ans Licht: 2007 hat ein Berater des Glücksspielautomatenherstellers Gauselmann Anteile einer Druckerei der FDP gekauft und 1,1 Millionen investiert. Die Rendite der Beteiligung, gemessen an den Gewinnen der Gesellschaft, liegt aber weit unter einem Prozent. Eine verdeckte Spende an die Partei?

62 Jahre, unterrichtet Öffentliches Recht, Rechtstheorie und Rechtssoziologie in Düsseldorf. Er ist stellvertretender Direktor des Instituts für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung an der Heinrich-Heine-Universität.

Das sind Beispiele, bei denen man misstrauisch wird. Wir versuchen ja, die Politikfinanzierung so zu regeln, dass sie möglichst Chancengleichheit für alle Parteien bietet und dass sie transparent ist. Das verlangt das Grundgesetz. Offenbar braucht man aber Detailregelungen, die es den Parteien erschweren, etwas zu verstecken oder zu tricksen.

Eine weitere Lücke im Recht der Parteienfinanzierung: Die FDP steht im Verdacht, sich unzulässig über die Friedrich-Naumann-Stiftung finanziert zu haben - indem Transaktionen über eine Tochterfirma der Stiftung abgewickelt wurden.

Das mit den Parteistiftungen ist ein Problem. Das fängt schon damit an, dass jedes Jahr mehrere 100 Millionen Euro aus der Staatskasse an die parteinahen Stiftungen fließen, aber es keine Kriterien dafür gibt, wer wie viel bekommt. Die andere Frage ist: Sollen Stiftungen, die mit der Idee gegründet wurden, politische Bildung zu machen, auch Wirtschaftsbetriebe unterhalten dürfen? Darüber muss man nachdenken.

Was heißt das konkret?

Wir brauchen ein Parteistiftungsgesetz. Erstens muss man Regeln dafür aufstellen, wie viel Geld sie vom Staat bekommen. Zweitens muss geklärt werden: Dürfen Stiftungen Unternehmen haben? Und wenn ja: Ist es zulässig, dass sie mit der Partei Geschäfte machen? Denn dadurch entsteht ein Dunkelfeld, das die Möglichkeit bietet, das Parteifinanzierungsgesetz zu umgehen.

Man kann das Gesetz ohnehin leicht umgehen, siehe Gauselmann: Von 1990 bis 2011 hat er über eine Million an die großen Parteien gespendet, verteilt über Mitarbeiter seiner Unternehmen. Die Spenden tauchten in keinem Rechenschaftsbericht auf.

Die Journalisten, die das aufgedeckt haben, haben für die Demokratie einen guten Job geleistet - Gauselmann hat seitdem einen schlechten Ruf. Das zeigt: Man kann zwar versuchen, das Gesetz zu umgehen, aber wenn dann jemand dahinterkommt, ist man schlecht beleumundet.

Ein weiteres Beispiel: Eine Lobbying-Firma zahlte laut Nachrichtenmagazin Spiegel 2006 rund 38.000 Euro an die FDP-Tochter ProLogo GmbH, für das Auslegen von 350 Broschüren und Logowerbung bei einem Empfang. Wieder eine verdeckte Spende?

Das kann ich so nicht sagen. Eventagenturen laden natürlich dazu ein, dass man Gewinne da anfallen lässt, wo man sie anfallen lassen will.

Aber würden Sie sagen: Da ist als Ziel die Verschleierungen zu erkennen?

Nicht notwendigerweise. Der Gesetzgeber hat den Parteien nicht verboten, wirtschaftlich tätig zu werden. Das hielte ich auch für falsch: Die bürgerlichen Parteien bekommen sehr viel mehr Spenden - und wenn man die Wirtschaftstätigkeit verbietet, hätten nicht alle Parteien die gleichen Chancen. Aber alle müssen offenlegen, an welchen Unternehmen sie beteiligt sind und wie viel Geld sie dadurch einnehmen.

Dennoch wirkt das alles seltsam. Aber ist es auch strafbar - oder nur ethisch fragwürdig?

Lassen wir mal die allgemeine Ethik weg und begnügen uns mit dem Parteienrecht. Dessen Grundprinzip ist Chancengleichheit. Wer viel Geld hat, soll sich politischen Erfolg nicht erkaufen können. Deshalb regelt das Parteigesetz etwa, dass jede Spende über 10.000 Euro offengelegt werden muss.

Man kann aber nicht alles verbieten. Und wer viel Geld hat, kann auch viel spenden. Dank des Transparenzgebotes im Grundgesetz erfährt die Öffentlichkeit, wohin wie viel Geld fließt. Aber die Netzwerke im Umfeld der Parteien erschweren das.

Hat die FDP Lehren aus den Skandalen der Vergangenheit gezogen?

Wegen der Spendenaffäre ihres früheren Spitzenpolitikers Jürgen Möllemann muss die Partei mindestens zwei Millionen nachzahlen, das hat das Bundesverwaltungsgericht erst im Frühjahr entschieden. Aber auch die anderen Parteien haben nach der Kohl-Affäre Lehren gezogen und ihre Finanzen zentralisiert - damit nicht auf unterer Ebene getrickst werden kann und die ganze Partei darauf reinfällt. Bei der FDP ist Walter Eschweiler die zentrale Figur.

Sie halten den Männerbund um Eschweiler für eine Lehre. Soll der nicht über eine Tochterfirma der parteinahen Stiftung ein Darlehen von der Fraktion an die Partei weitergereicht haben?

Der Mann ist von Beruf Steuerberater, er geht seinem Beruf nach. Ob er sein Geld jetzt mit Audi, Henkel oder der FDP verdient, ist seine Sache. Alle Parteien haben ihre Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Aber wenn es Freundschaftskreise gibt, dann muss man besonders aufpassen, ob da ein krummes Ding gedreht wird.

165 Staaten haben ein UN-Abkommen für strengere Regeln gegen Korruption in der Politik gebilligt, Deutschland noch nicht. Warum?

Die Frage ist, wie man die Abgeordnetenbestechung richtig fasst. Hinter dem UN-Abkommen steckt viel guter Wille, aber es löst das Problem nicht. Im Umfeld des amerikanischen Kongresses gibt es jetzt Restaurants, die ein Mittagsmenu für 9,99 anbieten, weil sich die Abgeordneten nicht für mehr als 10 Dollar einladen lassen dürfen. Das ist doch albern.

Den normalen sozialen Verkehr muss ich nicht regulieren - wenn einer hinterher einen Haufen Geld kriegt, dann ist das eine andere Sache. Ich kenne aber noch kein Gesetz, das dieses Problem wirklich löst.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.