Juristin über Anti-Folter-Komitee: "Niemand wird gerne kritisiert"

Einmischung oder Hilfe? Die Juristin Daniela Cernko über die Arbeit im Anti-Folter-Komitee des Europarats und ob es überhaupt etwas verändern kann.

Da setzte sich das Komitee durch: Häftlinge in Deutschland haben ein Recht auf Aufenthalt im Freien. Bild: ap

taz: Frau Cernko, Sie haben den Einfluss des Anti-Folter-Komitees auf den deutschen Strafvollzug untersucht. Werden dessen Empfehlungen umgesetzt oder stehen sie nur auf dem Papier?

Daniela Cernko: Ziel des Anti-Folter-Komitees ist ja ein menschenwürdiger Strafvollzug. Hierfür haben seine Berichte viele Anstöße gegeben. Früher zum Beispiel konnten Gefangene damit bestraft werden, dass ihnen der Aufenthalt im Freien gestrichen wurde. Das Anti-Folter-Komitee hat das gerügt. Daraufhin wurde diese Art der Disziplinarstrafe 1998 abgeschafft.

Haben Sie noch ein Beispiel?

Vielleicht etwas mittelbarer: Als der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2009 die Praxis der deutschen Sicherungsverwahrung kritisierte, stützte er sich auch auf Berichte des Anti-Folter-Komitees.

Geht es dabei nur um große Gesetzgebung?

27, promoviert am Freiburger Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht zum Einfluss des Anti-Folter-Komitees auf den Strafvollzug.

Nein. Das Komitee besucht ja konkrete Einrichtungen und empfiehlt dann zum Beispiel, dass ein Gefängnis dringend zu renovieren ist oder dass es mehr Beschäftigungsmöglichkeiten für die Gefangenen geben sollte.

Die Umsetzung solcher Empfehlungen lässt sich leicht überprüfen …

Denkt man. Aber manchmal werden nur ein paar Wände gestrichen. Ist damit "renoviert" oder nicht?

Wird Kritik des Anti-Folter-Komitees vor Ort eher als Einmischung oder als Hilfe gesehen?

Niemand wird gerne kritisiert. Aber die Empfehlung einer internationalen Delegation kann auch genutzt werden, um vom jeweiligen Finanzminister Mittel für längst fällige Maßnahmen zu fordern.

Was passiert, wenn Empfehlungen des Komitees nicht umgesetzt werden?

In Extremfällen kann das Komitee öffentlich bekanntgeben, dass ein Staat nicht kooperiert. Solche Erklärungen hat es bisher aber nur für die Türkei, Russland und im letzten Jahr für Griechenland gegeben. Bei einem Staat wie Deutschland, der grundsätzlich kooperiert, können Empfehlungen nur im nächsten Bericht wiederholt werden.

Ist das Komitee also ein zahnloser Tiger?

Nein. Es ist doch gut, wenn die Verwaltung dazu gebracht wird, ihr Verhalten zu reflektieren und zu begründen. Das schärft auch das Unrechtsbewusstsein. Es geht eher um einen fachlichen Dialog als um die Durchsetzung rechtlich verbindlicher Standards.

Wie reagiert das Gefängnispersonal, wenn ein Gremium namens "Anti-Folter-Komitee" kommt?

Zunächst fühlen sich manche zu Unrecht angegriffen, weil der Eindruck entsteht, das Komitee kümmere sich nur um Folter im engeren Sinne. Allerdings fasst das Komitee sein Mandat sehr weit und will jede "unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Strafe" verhindern.

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