Kämpfe in Libyen: Tote und Verletzte in Bengasi

Islamisten überfallen das Armee-Hauptquartier im libyschen Bengasi. Der abtrünnige General Hafter lässt die Angreifer bombardieren.

1. Juni: Rauchwolken über der Fakultät für Ingenieurwesen in Bengasi. Bild: reuters

TRIPOLIS taz | Der Lärm von Artilleriegranaten und Kampfhubschraubern ist nach Bengasi zurückgekehrt. In der Nacht auf Montag ist der Konflikt zwischen der „Nationalen Armee“ des pensionierten Generals Khalifa Hafter und den religiös-extremistischen Milizen endgültig zu regelrechten Krieg eskaliert. Nachdem vermummte Kämpfer von Ansar Scharia, mit mehreren tausend Mann die stärkste islamistische Miliz, das Armee-Hauptquartier im Stadtteil Hawari attackiert hatten, bombardierten Kampfhubschrauber die Angreifer.

„Die beschädigten Häuserfassaden erinnern mich an den 19. März 2011“, sagt Aja Alfitori, eine Englisch-Studentin der staatlichen Universität, die am Montag eigentlich ihre Prüfung ablegen wollte. Damals griff ein kilometerlanger Konvoi von Gaddafi-Getreuen die Revolutionäre in Bengasi an. Französische Jets zerstörten damals die Kolonne. Doch dann habe die internationale Gemeinschaft Bengasi der Willkürherrschaft der extremistischen Milizen überlassen, klagt die Studentin stellvertretend für viele in der Stadt.

Viele Passanten jubeln über die Hubschrauber und hoffen, dass Khalifa Hafters Allianz stark genug ist, um Ansar Scharia zu vertreiben, die in armen Stadtteilen zu einer sozialen Bewegung geworden ist. „Die Terroristen haben nach Beginn unserer Operation Karama (Würde) die Universität besetzt“, versuchte ein Sprecher Hafters die Luftangriffe auf Teile der Universität zu rechtfertigen. „Mein Klassenraum wurde heute Morgen zerstört“, so die Studentin Alfitori.

Über zwei Jahre lang mussten sich die Einwohner Bengasis mit dem Nebeneinander von Terror und Wirtschaftsboom arrangieren. An privaten Universitäten unterrichteten bis zuletzt ausländische Dozenten, vor kurzem wurde ein Einkaufszentrum eröffnet.

Gleichzeitig starben über 250 Polizisten und Armeeangehörige bei Attentaten. Nicht einer der Täter wurde gefasst, doch die Indizien sprechen für die Islamisten als Drahtzieher vieler Attentate. Zuletzt wurde mit dem Journalisten Miftah Abusaid ein prominenter Kritiker der Milizen am helllichten Tage erschossen.

Die Bevölkerung will Ruhe

Über sieben Tote und 50 Verletzte lautet die Bilanz eines nächtlichen Angriffs von Ansar Scharia und der ebenfalls islamistischen Raffalah Schati. Laut Augenzeugen beschießt Ansar Scharia Wohngebiete, wohl um mit der Eskalation die Bevölkerung gegen die Allianz Hafters aufzubringen. Deren Querschläger hatten im Bezirk Hawari Privathäuser und Unigebäude getroffen. „Wie symbolisch“, lacht Aya Alfitori. Die Bevölkerung wolle sowohl von Hafter als von den Islamisten in Ruhe gelassen werden. Den ehemaligen General Gaddafis halten viele für machtverliebt. Auf den vielen landesweiten Solidaritätsdemonstrationen für seine „Nationale Armee“, wird sein Name oft nicht erwähnt.

Dies sei Teil zwei des Aufstandes, sagen wütende Männer auf einem der Treffen in Tripolis. Auf ihren Plakaten geben sie „den Islamisten“ im Nationalkongress schuld an dem Chaos, aber auch dem Westen, der ein Bündnis mit den Muslimbrüdern eingegangen sei. „Der Westen wollte die Extremisten mit den Vertretern des politischen Islam eindämmen“, behauptet ein Geschäftsmann. „Das ging bisher doch überall schief.“

In Libyen behaupten derzeit zwei Premierminister und ihre Regierungen, an der Macht zu sein. Übergangspremier Abdullah Thinni weigert sich, sein Amt an den Geschäftsmann Ahmed Maitik abzugeben, der bereits mehrere EU-Botschafter empfing. Maitik war von der starken Islamisten-Fraktion im Kongress erst nach offizieller Beendigung der Sitzung mit weniger als der Hälfte der Abgeordneten gewählt worden. Tunesien hatte am Wochenende eine Libyen-Konferenz der Nachbarländer abgesagt, da es „zurzeit keine Ansprechpartner“ gäbe.

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