Kampf um Karl-Marx-Allee: Gericht bremst „Deutsche Wohnen“

Das Landgericht stoppt vorerst den Verkauf von 700 Mietwohnungen. Der Senat hofft jetzt auf den umfassenden Rückkauf aller Wohnungen.

Menschen gehen vor einem Hochhaus in der Karl-Marx-Allee in Berlin

Sichtbarer Protest: MieterInnen der Karl-Marx-Allee halten wenig vom Verkauf an die Deutsche Wohnen Foto: dpa

BERLIN taz | Das Landgericht Berlin hat den Verkauf dreier Wohnblöcke in der Karl-Marx-Allee an die Deutsche Wohnen AG per einstweiliger Verfügung gestoppt. Für insgesamt 675 Wohnungen und 57 Gewerbeeinheiten ist der Vollzug der Verkaufsurkunden bis auf Weiteres untersagt. Geklagt hatte die Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain (WBF), die bis Mitte der 1990er Jahre Eigentümerin der Arbeiterpaläste war. Die Verfügung wurde am Dienstag erlassen.

Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) sprach von einer „guten Nachricht“. Das Urteil verschaffe dem Senat mehr Zeit für seine Bemühungen, die MieterInnen dabei zu unterstützen, die Wohnungen selbst zu erwerben und dann an eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft zu übertragen. Die Frist hierfür wäre am 5. Januar abgelaufen, zwei Monate nach der Ankündigung des Kaufs durch die Deutsche Wohnen.

Andererseits eröffne die Entscheidung des Gerichts die „Chancen auf eine große Lösung“, also eine generelle Rekommunalisierung der Bestände in der Karl-Marx-Allee. In diesem Fall könnte womöglich die in die Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte aufgegangene WBF ein Vorkaufsrecht für die Blöcke ausüben. Die Klägerin hatte damit argumentiert, dass der einstige Verkauf in den Jahren 1993 und 1995 unter der Maßgabe erfolgt sei, Mietereigentum zu schaffen. Dies sei damals im Altschuldenhilfe-Gesetz geregelt worden.

Der aktuelle Verkauf der Predac an die Deutsche Wohnen „atmet diesen Geist nicht“, wie Kollatz sagte. Mietern, die erst seit kurzem dort wohnen, wurde ihre Wohnung gar nicht erst zum Kauf angeboten. Damit werden Käufer und Verkäufer sicher nicht durchkommen, so Kollatz.

Tricks der Deutschen Wohnen
Ein Plakat mit Aufschrift Sale durchgestrichen hängt vor einem Fenster

Nicht zum Verkauf: Protest in der Karl-Marx-Allee Foto: dpa

Auch den langjährigen Mietern wurde ein möglicher Kauf ihrer Wohnungen erschwert, etwa durch den Ausschluss einer Belastungsvollmacht, also das Beleihen ihrer Wohnungen. Zudem fiel die Verkaufsankündigung samt der folgenden Zwei-Monats-Frist wie zufällig in die Weihnachtszeit.

Laut Kollatz könnte im Januar eine mündliche Verhandlung vor dem Landgericht stattfinden. Der Senat hat sich derweil darauf geeinigt, „sich doppelt abzusichern“, wie der Staatssekretär für Wohnen, Sebastian Scheel (Linke), sagte. Paraelle zu den rechtlichen Bemühungen soll das Modell des „gestreckten Erwerbs“ verfolgt werden, auf das sich der Koalitionsausschuss vergangene Woche geeinigt hatte.

Die Geschichte der Karl-Marx-Allee und der aktuelle Kampf um die Rekommunalisierung gibt es auch im neuen Lokalrunde-Podcast + Die G20-Elbchaussee-Prozesse beginnen mit einem Eklat. Auf Soundcloud, itunes, Spotify, Deezer

MieterInnen, denen ein individuelles Kaufangebot unterbreitet wurde, sollen darauf vorbereitet werden, dies anzunehmen und die Wohnung dann sofort an die Wohnungsbaugesellschaft Gewobag weiterzuverkaufen. Anders als bisher geplant, bleibt die Investitionsbank Berlin Brandenburg bei diesem Modell außen vor. Dies mache es „komfortabler“ für die Mieter, denen nun ein Bevollmächtigten für den Mietervorkauf zur Verfügung gestellt wird. Dieser soll in den kommenden Wochen die Unterlagen der MieterInnen einsammeln, wird diese nun aber noch nicht an den Verkäufer Predac weiterreichen.

Für die 81 Wohnungen des Blocks D-Süd, die als einzige im Milieuschutzgebiet liegen, wurde am Wochenende wie geplant das bezirkliche Vorkaufsrecht ausgeübt. Die Deutsche Wohnen hatte sich zuvor geweigert, eine Abwendungsvereinbarung zu unterschreiben, mit der sie für 20 Jahre die Sozialziele des Milieuschutzes angenommen hätte.

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