Kampf um Urheberrecht im Netz : Katz-und-Maus-Spiel um kino.to

Die Staatsanwaltschaft hat einiges dafür getan, die Webseite kino.to zu schließen. Die Nutzer müssen wohl nicht mit strafrechtlichen Folgen rechnen.

Das Original: Einen Kinobesuch können Filme aus dem Netz nicht ersetzen. Bild: almogon / photocase.com

Wie bei jedem Krieg bleibt die Wahrheit zuerst auf der Strecke. Die populäre Website kino.to gibt es nicht mehr. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat sie schließen lassen. Mehr dürfte man nicht berichten, wenn man nicht den Verdacht geraten wollte, ein "embedded journalist" zu ein. Alle Begriffe sind propagandistisch verseucht und mit Vorsicht zu genießen.

War kino.to, das trotz des Länderkürzels nichts mit dem pazifischen Inselstaat Tonga zu tun hat, eine "Raubkopierer-Seite" oder unterstützte sie "Produktpiraterie"? Das haben die Betreiber in Interviews immer weit von sich gewiesen. Kino.to bot Links zu anderen Websites in ganz Europa an, auf denen man Filme sehen konnte, für die man, wenn es nach den Privateigentümern dieser Werke ging, hätte bezahlen müssen. Ist das überhaupt strafbar?

Selbst das ist strittig. Wer jetzt kino.to aufruft, liest, die Domain sei wegen des "Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung zur gewerbsmäßigen Begehung von Urheberrechtsverletzungen" geschlossen und mehrere Betreiber seien festgenommen worden. Die Nutzer müssten mit einer "strafrechtlichen Verfolgung" rechnen. Auch das kann man getrost als Propaganda abtun.

Wackelige Rechtsgrundlage

Der Konsum dieser "Streaming-Dienste", zu denen kino.to gehörte, ist nach Meinung einiger Juristen nicht strafbar, solange man keine Kopie der jeweiligen Datei auf den eigenen Rechner lädt oder solange man keine Zusatzsoftware benutzt, die das ermöglicht - wie bei den so genannten Filesharing-Programmen. Das aber war bei kino.to nicht unbedingt beabsichtigt: Die Filme konnten im Prinzip auch per Browser angesehen werden, die Seite ist also eine typische Streaming-Seite. Noch vor einem Jahr waren nach Angaben von kino.to "357.653 Serien (Episoden), 70.431 Filme und 6.718 Dokumentationen online".

Haben die Ermittlungsbehörden mit Razzien in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden also zu einem "heftigen Schlag gegen Urheberrechtsverletzer ausgeholt", wie es in vorgestanzten Pressemitteilungen heißt, oder war dieser Schlag einer ins Wasser? 13 Personen wurden festgenommen, aber werden sie trotz der mehr als wackligen Rechtsgrundlage auch verurteilt werden? Die Nutzer der Website kino.to, die es immerhin unter die Top 50 der deutschen Internet-Angebote schaffte, sind ohnehin wohl kaum in Gefahr, da ihre Rechneradressen nicht gespeichert wurden.

Haben die Betreiber des popupären Internet-Portals jemanden geschädigt - und wer ist dieser Jemand? Laut der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) prellen "Raubkopierer" die deutsche Filmindustrie jährlich insgesamt um mehrere Hundert Millionen Euro. Unabhängige Quellen für diese These existieren nicht. Die GVU ist auch nicht, wie etwa die Financial Times Deutschland streamingportal-kino-to-filmwirtschaft-gelingt-schlag-gegen-raubkopien/60063052.html:suggestiv behauptet eine "Soldidargemeinschaft" (dann wäre auch die IRA eine "Solidargemeinschaft"), sondern eine an den Grenzen der Legalität operierende Lobby-Gruppe, die vor kaum einem Mittel zurückschreckt.

Für die GVU ist kinto.to das, was für einen Jugendschützer ein Sadomaso-Swingerclub ist: Eigentlich ist alles legal, aber aus höheren moralischen Erwägungen und wegen des großen Ganzen sollte man es besser doch verbieten.

Zeitweilig geriet niederländische Firma in Verdacht

Die GVU hatte im April nach eigenen Ermittlungen Strafantrag gegen die Betreiber des Portals gestellt. Die Polizei ermittelte zuvor schon mehrere Jahre gegen kino.to. Die Betreiber lieferten sich mit den Häschern der Ermittlungsbehörden ein Katz-und-Maus-Spiel. Das Länderkürzel "to" sagte nichts über den Standort der Seite aus. Zeitweilig geriet die niederländische Firma Euroaccess in Amsterdam unter Verdacht.

Als sich endlich ein Richter fand, der das Unternehmen per einweiliger Verfügung zwang, Nutzerdaten herauszurücken, liefen die Fahnder ins Leere: Die gesuchten Personen wohnen nicht an den angegebenen Adressen oder existierten überhaupt nicht. In Sachsen aber ließ man nicht locker.

Die Staatanwaltschaft nahm an, weil es vielleicht der Wahrheitsfindung diente, dass die Betreiber von kino.to und die Streamhoster - also die Websites, auf die verlinkt wurden -, unter einer Decke steckten.

Die Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen (INES), die ursprünglich die Korruption im Freistaat bekämpfen sollte, wurde auf den Fall angesetzt. Sechs Staatsanwälte und drei Dutzend weitere Mitarbeiter widmeten sich jetzt ganz dem "roten Tuch" der deutschen Filmwirtschaft, dem Schutz des Urheberrechts und des Privateigentums - bis kino.to jetzt abgeschaltet wurde.

Bei den Nutzern überwiegt die Schadenfreude

Auf Solidarität können die Betreiber des populären Angebots nicht hoffen, noch nicht einmal bei denen, die es gern nutzen. Ganz im Gegenteil: es überwiegt die Schadenfreude. Kino.to galt selbst im Milieu der so genannte "Produktpiraten" als üble "Abzocker-Bude", die in den vergangen Jahren selbst öfter erfolgreich das Ziel von Hacker-Angriffen war.

Die Betreiber verdienten nicht nur Geld mit Werbung und "Premiumdiensten", die angeblich schnellere Downloads ermöglichten. Sie versteckten auch kostenpflichtige Abos auf ihrer Website, die technisch weniger versierte Internet-Nutzer dazu verleiten suchten, sich Programme zu installieren, die man getrost als "malware" - also schädliche Software - bezeichnen kann.

Der Nutzer musste dann doch Namen und Anschrift angeben. Wer die Meldung "durch Drücken des Buttons 'Anmelden und zum Download' entstehen Ihnen Kosten von 96 Euro inkl. Mehrwertsteuer pro Jahr. Vertragslaufzeit 2 Jahre" übersah oder ignorierte, dem drohte der Inkassoanwalt.

Auch die ominöse Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU), auf deren Betreiben hin kino.to abgeschaltet wurde, geriet schon mit dem Gesetz in Konflikt. Vor fünf Jahren veröffentlichte die Computerzeitschfit c't Unterlagen, aus denen hervorging, dass die GVU nicht nur Informanten aus dem einschlägigen "Warez"-Milieu bezahlte, sondern dass sie selbst den Betrieb von Raubkopierer-Servern finanziell unterstützt hatte. Im Januar 2006 durchsuchte das Landeskriminalamt Baden-Württemberg die Hamburger Geschäftsräume der Gesellschaft und die Wohnung eines hochrangigen Mitarbeiters.

Der Kampf der Lobbyisten um das Urheberrecht in Internet ähnelt eher einer Schlammschlacht gegen eine vielarmige Hydra, die kaum zu gewinnen ist. Kino.to war nur ein Angebot von vielen. Die direkte Konkurrenz Movie2k.to verlautbarte auf ihrer Webiste: "Wir bieten lediglich Verweise auf andere Webseiten an, auf denen die Filme hinterlegt sind. Deswegen halten wir unser Angebot für legal."

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