Kampf um die Eurorettung: Die Welt drängt, Deutschland urlaubt

Eurogruppenchef Juncker fordert schnelles Handeln und kritisiert deutsche Koalitionspolitiker für ihr „Geschwätz“. Und selbst der US-Finanzminster bedrängt die Euroretter.

Plaudern ohne Pressefragen: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und sein US-Kollegen Timothy Geithner auf Sylt. Bild: dpa

BERLIN taz | Es hatte etwas sehr Angestrengtes, wie die Sprecher der Bundesregierung am Montag versuchten, den Eindruck von Normalität zu vermitteln. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bekommt im Urlaub auf Sylt kurzfristig Besuch von seinem US-Kollegen Timothy Geithner? „Das ist nichts Ungewöhnliches“, sagt Schäubles Sprecherin, kann aber auf Nachfrage keinen vergleichbaren Termin der Vergangenheit nennen.

Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker kritisiert das „Geschwätz über den Austritt Griechenlands“? Die Sprecherin des offensichtlich angesprochenen Wirtschaftsministers Philipp Rösler (FDP) will das „nicht kommentieren“. Und Junckers Aussage, Deutschland erlaube sich „den Luxus, andauernd Innenpolitik in Sachen Eurofragen zu machen“? Kein Grund zur Aufregung, erklärt Vizeregierungssprecher Georg Streiter: „Unsere Aufgabe ist es, Ruhe reinzubringen.“

Doch egal, wie sehr Deutschland abwiegelt: Unübersehbar steigt der Druck, kurzfristig weitreichende Entscheidungen zur Eurorettung zu treffen. Juncker sprach in der Süddeutschen Zeitung davon, er erwarte „in den nächsten Tagen“ eine Entscheidung über Maßnahmen gegen die hohen spanischen Zinsen. „Die Welt redet darüber, ob es die Eurozone in einigen Monaten noch gibt“, sagte der Luxemburger Premier weiter.

„Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren.“ Das effektivste kurzfristige Mittel gegen den Zinsdruck – der direkte Aufkauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) – scheitert bisher am deutschen Veto. Die Kritik an dieser Haltung dürfte in den bilateralen Gesprächen, die Bundeskanzlerin Angela Merkel – ebenfalls vom Urlaub aus – in den letzten Tagen mit ihren Kollegen François Hollande aus Frankreich und Mario Monti aus Italien führte, eine wichtige Rolle gespielt haben.

Auch beim Gespräch von Schäuble und Geithner dürfte der US-Finanzminister auf ein entschlosseneres Vorgehen gedrängt haben, denn die USA fürchten, dass ihre Wirtschaft zunehmend von der Eurokrise in Mitleidenschaft gezogen wird.

Nachfragen waren nicht möglich

Offiziell verlautete nach dem Gespräch nur, die Minister hätten im „offnen Meinungsaustausch“ die „Wirtschaftslage weltweit“ erörtert und die Ankündigungen der EU-Entscheidungsträger zur Kenntnis genommen. Nachfragen waren nicht möglich, denn vom geplanten Pressetermin blieb nur ein Fotoshooting – laut Ministerium „aus Zeitgründen“.

Während die Bundesregierung versuchte, den Streit tiefer zu hängen, reagierten Parteivertreter teils heftig auf die Kritik. CSU-Chef Horst Seehofer, der sich von der Kritik am Griechenland-„Geschwätz“ offenbar ebenfalls angesprochen fühlte, nannte Junckers Kritik am Montag „grenzwertig“, CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sprach von einer „Unverfrorenheit“ und stellte gar Junckers Eignung als Eurogruppenchef in Frage.

Hessens FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn forderte die Bundesregierung auf, die EZB zu verklagen, wenn diese wieder Staatsanleihen aufkaufe – was das Bundesfinanzministerium unverzüglich zurückwies.

Grüne sprechen von „Verweigerungshaltung“

Gemischte Signale kamen aus der Opposition: Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin unterstützte Junckers Kritik ausdrücklich: „Die drastischen Worte des christdemokratischen Eurogruppenchefs sollten der Bundesregierung eine Warnung sein“, erklärte Trittin. Die Regierung müsse ihre „Verweigerungshaltung“ gegen effektive Maßnahmen aufgeben.

SPD-Fraktionsvize Joachim Poß äußerte Verständnis für Junckers Kritik an der deutschen „Laienspielerschar“. Zugleich machte er aber deutlich, dass seine Partei den Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB kritisch sieht. Das sei nur als „Notmaßnahme“ akzeptabel, weil andere Instrumente fehlten. Grundsätzlich ablehnend zum Anleihenkauf durch die EZB äußerte sich Sahra Wagenknecht, Vizefraktionschefin der Linken. Dies schütze lediglich „die Banken vor Verlusten“, teilte sie mit.

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